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Die sterblich Verliebten

Die sterblich Verliebten

Titel: Die sterblich Verliebten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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herausnahmen, hatte mit dem geteilten Geheimnis zu tun oder mit der Schuld, wenn sie denn vorhanden war, denn diesen Eindruck hatte ich keineswegs, für mich hatten sie eher skrupellos geklungen. Gemeinsame Verbrechen verbinden, gemeinsames Verschwören, Aushecken und vor allem Ausführen. Dann nimmt man sich dem anderen gegenüber plötzlich Freiheiten heraus, weil er die Maske abgelegt hat und seinesgleichen nicht mehr vorspielen kann, dass er nicht ist, was er ist, oder nie tun würde, was er getan hat. Die Kenntnis des anderen fesselt beide aneinander, ähnlich wie bei den heimlichen Geliebten, ja auch bei denen, die es nicht sind, die sich nicht verstecken müssen, aber dennoch zurückhaltend bleiben, da sie der Ansicht sind, dass ihre Intimität die Welt nichts angeht, dass man ihr nicht von jedem Kuss, jeder Umarmung Meldung erstatten muss, und solche waren Díaz-Varela und ich, die wir über die unseren schwiegen, Ruibérriz war eigentlich der Erste, der davon erfuhr. Jeder Verbrecher weiß, wozu sein Kumpan fähig ist, und der weiß wiederum das Gleiche von ihm. Jeder Geliebte weiß, dass der andere eine seiner Schwächen kennt, der Mann kann der Frau nicht mehr vorspielen, etwas Bestimmtes würde ihn körperlich nicht reizen, würde ihn abstoßen oder kaltlassen, er kann nicht mehr vorspielen, dass er sie verschmäht oder verwirft, zumindest nicht im fleischlichen Bereich, der bei den meisten Männern lange Zeit – bis sie sich nach und nach gewöhnen und dann gefühlvoll werden – leider allzu prosaisch bleibt. Wir haben Glück, wenn sich unsere Begegnungen mit einem humoristischen Ton einfärben, denn das ist oft bei vielen spröden Männern das erste Anzeichen dafür, dass sie weichwerden.
    Wenn schon die Freiheiten ärgerlich sind, die sich ein Unbekannter oder Bekannter herausnimmt, nachdem er in unserem Bett gewesen ist – oder wir in seinem, das ist einerlei –, um wie viel mehr dann die, die ein gemeinsames Verbrechen befördert und wovon eine zweifellos der völlige Mangel an Respekt ist, vor allem, wenn es sich bloß um Gelegenheitsverbrecher handelt, um gewöhnliche Menschen, die sich entsetzt hätten, wenn man ihnen die eigenen Taten als von anderen vollbracht geschildert hätte, noch kurz bevor sie diese selbst ersinnen und vermutlich auch nachdem sie sie ausgeführt haben. Jemand, der nach dem Einfädeln, ja sogar nach dem Befehlen eines Mordes immer noch überzeugt von sich denken wird: ›Ich bin kein Mörder, halte mich keineswegs für einen. Die Dinge nehmen eben ihren Lauf, und manchmal greift man in einer Phase ein, egal, ob mittendrin, ob an Mündung oder Quelle, keine gilt etwas ohne die anderen. Immer gibt es viele Faktoren, ein einzelner ist nie die Ursache. Ruibérriz oder der von ihm geschickte Typ hätte sich weigern können, dem Parkeinweiser das Gift in den Geist zu träufeln. Der wiederum hätte nicht ans Handy gehen müssen, das er tatsächlich eine Zeitlang besaß, wir haben es ihm geschenkt, haben ihn angerufen, ihm eingeredet, Miguel sei verantwortlich für die Prostitution seiner Töchter; er hätte die Lügen nicht beachten müssen, hätte sich bis zum Schluss in der Person irren und dem Chauffeur die sechzehn Messerstiche versetzen können, einschließlich der fünf tödlichen, nicht umsonst hatte er ihn Tage zuvor mit der Faust geschlagen. Miguel hätte nur an seinem Geburtstag das Auto nicht nehmen müssen, und nichts wäre passiert, nicht an dem Tag und an einem anderen vielleicht auch nicht, vielleicht hätten sich nie wieder alle Umstände gemeinsam ergeben … Der Penner hätte das Messer nicht dabeihaben müssen, das ich ihm kaufen ließ, es öffnet sich so schnell … Welche Schuld trage ich schon am Zusammentreffen dieser Zufälle, die Pläne, die man schmiedet, sind doch bloß Versuche, Testballons, Spielkarten, die nach und nach aufgedeckt werden und meist nicht aufgehen, nicht passen. Schuld ist nur, wer eine Waffe nimmt und selbst benutzt. Alles Übrige ist zufällig, findet im Kopf statt – ein Läuferzug, ein Rösselsprung –, Dinge, die man wünscht, fürchtet, anzettelt, mit denen man spielt und phantasiert und die bisweilen wirklich eintreten. Und sie treten auch dann ein, wenn man es nicht will, oder treten nicht ein, obwohl man sie herbeisehnt, wir haben kaum je alle Umstände in der Hand, nichts wird so eingefädelt, dass ein Faden sich nicht verheddern könnte. Als schösse man mitten auf dem Feld einen Pfeil senkrecht in die Luft:

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