Die Sterne rücken näher
etwa sechs Monaten wird mein Modell fertig sein. Es verbittert mich, daß ich gezwungen bin, wie ein ganz gewöhnlicher Arbeiter beim Modellbau selbst mit Hand anzulegen, wo doch meine Arbeit schon vor drei Jahren hätte abgeschlossen sein müssen, als ich meine Theorie fertig entwickelt und mein Schiff entworfen hatte. Aber so will es die Welt haben, und so soll es denn auch sein.«
Oder am 8. Mai des gleichen Jahres:
»Heute hatte ich einen Besucher; es war ohne Zweifel ein Journalist. Ich jagte ihn weg, ehe er mich stören konnte, aber ich fürchte, andere werden kommen. Selbst in dieser sibirischen Öde habe ich keine Ruhe. Die Arbeit geht glatt weiter, wenn wir auch zeitlich ein wenig im Rückstand sind. Ich werde froh sein, wenn mein Schiff vor Jahresende fertig ist.«
Am 17. August:
»Flugzeuge kreisen über meinem Labor. Man scheint mir nachzuspionieren. Das Schiff geht der Vollendung entgegen.
Für Flüge mit dem Lexman-Antrieb ist es praktisch schon jetzt bereit, aber der Einbau meines Raumkrümmungsgenerators wird noch einige Monate beanspruchen.«
Am 20. September:
»Diese Störungen werden allmählich unerträglich. Fünf Tage lang versucht nun schon ein amerikanischer Journalist, mich zu interviewen. Mein sibirisches Geheimlabor ist anscheinend schon zu einer Touristenattraktion für die ganze Welt geworden. Die letzten Stromkreise des Raumkrümmungsgenerators machen mir einiges Kopfzerbrechen. Es gibt schon so vieles, was verbessert werden muß. Unter diesen Umständen ist an Arbeit kaum zu denken. Ich habe diese Woche tatsächlich jede Maschinenarbeit zurückgestellt.«
Dann am 11. Oktober 2570:
»Es gibt nur noch eine Möglichkeit für mich. Ich muß die Erde verlassen, um die Installation meines Generators zu Ende zu führen. Diese herumschnüffelnden Narren und Spötter können mich einfach nicht in Ruhe lassen, und nirgendwo auf der ganzen Erde finde ich die Einsamkeit, die ich brauche. Ich werde zur Venus fliegen, sie ist unbewohnt und unbewohnbar. Vielleicht läßt man mir dort wenigstens zwei Monate der Ruhe, die ich noch brauche, um mein Schiff für den interstellaren Antrieb umzubauen. Dann kann ich zur Erde zurückkehren, ihnen zeigen, was ich getan habe, einen Demonstrationsflug – vielleicht zum Rigel – anbieten…
Warum quält die Erde ihre wenigen erfinderischen Köpfe so sehr? Warum war mein ganzes Leben nur eine endlose Verfolgung gewesen, seit ich erklärte, es müsse eine Möglichkeit geben, die unendlich langen Wege des Raumes abzukürzen? Die Antworten sind zutiefst in den dunklen Ecken der kollektiven menschlichen Seele zu finden, und kein Mensch wird je verstehen, was dort vor sich geht. Es befriedigt mich, trotz allem Erfolg zu haben. Eines fernen Tages wird man sich meiner ebenso erinnern wie eines Kopernikus, eines Galilei, als eines Mannes, der erfolgreich gegen den Strom geschwommen ist.«
Hier endete das Tagebuch. Aber die letzten paar Seiten enthielten Berechnungen – eine Versuchsstrecke zur Venus, etliche Startberechnungen, Statistiken über die geographische Verteilung der venusischen Landmassen und ähnliches.
Zugegeben, Cavour muß ein komischer Vogel gewesen sein, überlegte Alan. Vielleicht entsprang die Hälfte der von ihm beklagten »Verfolgungen« nur seinem fiebrigen Gehirn; doch das war unwichtig. Er war zur Venus geflogen. Das Tagebuch, das sich im Institut der Technologie in London gefunden hatte, bewies es. Für Alan gab es daher nur einen einzigen logischen Schritt.
Zur Venus fliegen. Dem Kurs folgen, den Cavour auf den letzten Seiten seines Tagebuchs aufgekritzelt hatte.
Vielleicht gelang es ihm, das Schiff aufzufinden; vielleicht den Standort seines Labors, ein paar Notizen, irgend etwas. Er durfte es auf keinen Fall zulassen, daß dort die Spur versickerte.
»Ich möchte ein kleines Raumschiff kaufen«, erklärte er Jesperson. »Ich werde zur Venus fliegen.«
Erwartungsvoll sah er seinen väterlichen Freund und Anwalt an, bereit sogar zu einer heftigen Diskussion. Aber Jesperson lächelte nur.
»Okay«, sagte er. »Wann willst du abfliegen?«
»Sie erheben gar keine Einwände? Das Schiff, das ich mir vorstelle, kostet mindestens zweihunderttausend Kredits.«
»Das weiß ich selbst. Ich habe auch einen Blick in Cavours Tagebuch geworfen, mein Sohn. Es war mir also klar, daß du dich entschließen würdest, dieser alten Ente zur Venus zu folgen, und ich bin viel zu klug, als daß ich mich in dieser Beziehung mit dir auf einen Streit
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