Die Sterne rücken näher
die Verschnürung und schlug die Verpackung zurück. Obenauf lag ein Brief von Bentley.
London, 3. November 3877
Mein lieber Mr. Donnell:
Vielleicht erinnern Sie sich des Gesprächs, das Sie und ich im vergangenen Winter in diesem Institut führten, als Sie zu Besuch in London waren. Ich erinnere mich, daß Sie am Leben und Werk von James H. Cavour äußerst interessiert waren, und die feste Absicht hatten, das weiterzuentwickeln, was er auf dem Gebiet der Raumfahrt schon erreicht hatte.
Vor einigen Wochen haben wir hier die Archive des Institutes einer gründlichen Durchsicht unterzogen. Zu unserer größten Überraschung fanden wir ein ganzes Bündel von Dokumenten, die anscheinend in der Computerbank der Hauptbibliothek verlorengegangen waren. In den vergangenen siebenhundert Jahren sind sie jedenfalls nirgends mehr verzeichnet gewesen. Sie können sich bestimmt vorstellen, welche Aufregung dieser Fund hier ausgelöst hat.
Die Aufgabe, dieses wiederentdeckte Material zu sichten und auszuwerten, wird uns sicherlich viele Jahre beschäftigen. Aber die ersten Nachdrucke ließen bereits etwas erkennen, das für Sie von Wert sein könnte, da es sich anscheinend um eine bisher unveröffentlichte Arbeit Cavours handelt. Wir haben keine Unterlagen darüber, wie wir in den Besitz dieser Dokumente gelangt sind, aber ich nehme an, daß Mr. Cavour sie unserem Institut von seinem asiatischen Labor aus zugeschickt hat, damit sie zusammen mit einigen unbedeutenderen Dingen, die Sie gesehen haben, hier aufbewahrt wurden. Der Irrtum eines Computers war wohl dafür verantwortlich, daß diese Spur dieser Unterlagen versickerte und unseren Indexprüfern entging. Damit wurden sie unseren Studenten seit vielen hundert Jahren entzogen.
Ich nehme mir die Freiheit, Ihnen hiermit einen Faksimilewürfel des Materials zu übersenden in der Hoffnung, daß es Ihnen bei Ihrer Arbeit von Nutzen sein möge und Ihnen vielleicht zum Erfolg verhilft. Ich muß Sie allerdings bitten, den Text nirgends zu veröffentlichen, sonst jedoch steht es Ihnen frei, sich des Inhalts nach Belieben zu bedienen. Herzlichst
Ihr Dwight Bentley
Ungeduldig schob Alan den Brief beiseite und wickelte den Faksimilewürfel aus. Er eilte zu seinem Lesegerät und schob den Würfel auf den Objektträger.
Er glühte auf, als der Suchstrahl ihn bestrich und durchdrang, nach den Informationspunkten forschte und sie festhielt. Sofort übertrug der tastende Laserstrahl die im Würfel aufgezeichneten Daten in optische Eindrücke, und auf dem Schirm des Lesegerätes erschien ein in zerschlissenes Leinen gebundenes Buch. Es war noch abgenützter als die zerlesene Ausgabe von Die Cavour-Theorie, die er gekauft hatte. Das Buch sah aus, als könnte es im ersten Lufthauch zerfallen.
Er drückte einen Knopf. Der Strahl ging tiefer in den Würfel; es war, als sei der zerschlissene Deckel umgelegt worden. Die erste Seite des Buches war nicht beschrieben, auch die zweite und dritte nicht. Alan fuhr fort, die einzelnen Seiten »umzuwenden«, indem er den tastenden Strahl immer tiefer in den Würfel schickte. Auf der vierten Seite erkannte er einige Zahlen einer steilen Handschrift. Er sah genauer hin und las mit ehrfürchtigem Staunen die fast verblichenen Worte:
Tagebuch von James Hudson Cavour, Band 16,
8. Januar bis 11 . Oktober 2570.
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Das Tagebuch des alten Mannes war ein faszinierendes Dokument. Alan wurde nie müde, darüber zu sitzen, um sich ein Bild dieses eigensinnigen, genialen Fanatikers zu machen, der sich so verzweifelt bemüht hatte, die Sterne der Erde noch näher zu bringen.
Cavour war, wie auch andere verbitterte Einsiedler, ein leidenschaftlicher Tagebuchschreiber. Jeder Tag seines Lebens war sorgfältig festgehalten und genau beschrieben, seine Verdauung, das Wetter, zufällige Gedanken, menschliche Beobachtungen und ähnliche Dinge. Aber Alan war hauptsächlich an dem interessiert, was mit den Forschungen und Versuchen zu dem Problem der Raumfahrt bei Überlichtgeschwindigkeit zusammenhing.
Cavour hatte viele Jahre lang in London gewohnt und gearbeitet; die Reporter hatten ihn bedrängt, die Wissenschaftler verspottet. Aber gegen Ende des Jahres 2569 hatte er gefühlt, daß er an der Schwelle zum Erfolg stand. In seinem Tagebuch hieß es unter dem 8. Januar 2570:
»Das Versuchsfeld in Sibirien ist fast fertig. Es hat fast meine sämtlichen Ersparnisse verschlungen, aber dort habe ich die Ruhe, die ich so dringend für meine Arbeit brauche. Ich denke, in
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