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Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Titel: Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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sie einladen müssen, findest du nicht? Ich glaube, sie hat es erwartet!«
    »Unsinn! Das kann sie nicht erwarten. Bedenke ihre Herkunft! Aus der Gosse haben wir sie gezogen.«
    »Aber du weißt doch, Anne, es gibt da etwas, weswegen...« Cathleen sprach nicht weiter und Anne zog sie eilig mit sich fort. Mary verzog verächtlich das Gesicht. Alberne Miss Brisbane, mochte sie doch neben ihrer angebeteten Cathleen verschimmeln! Eine einsame, verblühende Frau war sie, nichts weiter. Aber gleichzeitig fühlte sich Mary durch Annes letzte Worte gekränkt. Gerade von ihr ließ sie sich nicht gern an ihre Herkunft erinnern. Sie hatte einmal geglaubt, diese Frau sei ihre Freundin. Es tat ihr weh, sich damit abfinden zu müssen, daß von ihrer einstigen Vertrautheit nichts übrig geblieben war.
     
    Der Sommer verging, die Bäume am Ufer der Themse färbten sich bunt, morgens und abends stiegen dichte Nebel aus der Flußniederung und legten sich als feuchte Schleier um die Stadt. Es regnete viel, aber das lebhafte Treiben in den Straßen hielt an. Norfolk und Chapuys schienen den König heftig zu bedrängen, indem sie Anna als große Gefahr für England darstellten, und die Tatsache, daß sich Henry noch zu keinem ernsthaften Schritt entschlossen hatte, war wohl nur seiner Angst zu verdanken, dies könne als Unterwerfung unter päpstlichen Willen gedeutet werden – eine Blamage, die er mehr fürchtete als einen Angriff des deutschen Kaisers. Aber im Volk gingen die Gemütswogen hoch, denn viele meinten empört,
der König müsse im Interesse seines Landes dem Kaiser ein Entgegenkommen zeigen, bevor dieser mit den Franzosen zusammen zu einer unheilvollen Bedrohung werde. Man redete außerdem darüber, daß der König ein beschämendes Wohlleben im Palast feierte, ein Fest nach dem anderen veranstalte und sich Scharen von Prostituierten kommen ließe, offenbar um seinen drückenden Sorgen zu entfliehen.
    Mary kümmerte sich diesmal wenig um den Aufruhr im Land, weil sie eigene Sorgen hatte. Mitte Oktober war sie ganz sicher, daß sie ein Kind bekommen würde, und in den ersten Tagen stürzte sie diese Erkenntnis in Verzweiflung. Ein Kind! Was, um alles in der Welt, wollte sie jetzt mit einem Kind? Sie hatte natürlich gewußt, daß diese Gefahr bestand, aber leichtherzig hatte sie sich eingeredet, es sei unwahrscheinlich, daß es so schnell passierte, denn viele Leute seien doch zwei oder drei Jahre verheiratet, ehe sie Kinder bekamen. Zur Vorsicht hatte sie jedoch ein Büschel Jasminkraut unter ihr Bett gehängt, weil es hieß, dies verhindere eine Schwangerschaft, aber trotz dieser Maßnahme würde sie in neun Monaten ein winziges, schreiendes Wesen zur Welt bringen, für das sie dann mindestens fünfzehn Jahre ihres Lebens sorgen mußte.
    Sie fand es so ungerecht, daß sie vor Wut hätte schreien mögen. Warum mußte sie für die zauberhaften, wilden, mondhellen Sommernächte mit Nicolas einen so hohen Preis zahlen? Warum hatte die Natur alle Frauen mit diesem unentrinnbaren Verhängnis bedacht? Männer durften sich hemmungslos ihres Lebens freuen, Frauen mußten immer und ewig an die Folgen denken, die ein paar Augenblicke Leidenschaft für sie haben konnten. Mary erinnerte sich, wie sie die letzten Wochen gelebt hatte, wie unbefangen, heftig und in welch herrlicher Gedankenlosigkeit sie Nicolas umarmt hatte. Damit war es vorbei. Denn wenn sie dieses Kind zur Welt gebracht hatte, dann würde sie vor dem nächsten zittern und dann wieder und immer so weiter, bis sie eine alte Frau war und vielleicht ohnehin nichts mehr begehrte.
    Erst Anfang November erzählte sie Nicolas, was geschehen war, denn zunächst hatte sie unwillkürlich geschwiegen, als könne sie damit Tatsachen ableugnen. Sie wußte später nicht, welche Reaktion
sie von ihm erwartet hatte, aber jedenfalls hätte sie nicht gedacht, daß er sich so freuen würde.
    »Aber das ist doch großartig!« rief er. »Komm Mary, mach nicht ein so finsteres Gesicht. Ich habe mir ein Kind gewünscht. Du nicht?«
    »Na ja, nicht sofort...«
    »O Liebling, wir sind fast ein Jahr verheiratet. Und im Mai wird es zur Welt kommen. Welch ein schöner Monat, um geboren zu werden!« Mary sah in Nicolas’ strahlende Augen und ein leiser Ärger regte sich in ihr, weil er alles so einfach fand und überhaupt nicht an die vielen Schwierigkeiten dachte, die auf sie zukamen.
    »Ja«, sagte sie, »ein schöner Monat, um geboren zu werden. Aber sieh dir die Familie an, in der es

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