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Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Titel: Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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leicht.
    »Wir bieten wahrscheinlich beide einen überwältigend gesunden Anblick«, meinte sie, »du nämlich auch.« Sie hielt inne, fuhr leicht mit dem Finger über seine geschwollenen Augenlider und fragte flüsternd:
    »Nicolas, was haben sie mit dir gemacht?«
    Er schüttelte unwillig den Kopf.
    »Nicht, Mary. Frag mich das nicht. Es ist vorbei, ich habe es überlebt und doch nicht überstanden. Ich habe ihnen alles gesagt, was sie hören wollten. Es ist...«
    »Es ist ganz natürlich, Nicolas.« Sie starrte auf das Blut an seinem Körper. »Mir hätten sie nur drohen müssen und ich hätte alles gestanden. Schmerzen können den Willen auslöschen, alles unwesentlich machen, den Menschen zwingen, sich nur noch darauf, auf nichts sonst, zu konzentrieren. Mir ist es während der Geburt unseres Kindes so gegangen und schon vorher auf dem Heimweg. Ich ... ich habe nicht einmal an dich denken können. Das kam erst viel später. «
    »Es ging mir auch so. Ich ließ dich zurück in dieser Menschenmenge, aber bald hatte mich die Angst so gepackt, daß ich nur noch über mich nachdenken konnte. Aber irgendwie, weißt du, irgendwie war mir auch klar, daß du es schaffen würdest.«
    Nicolas ließ eine ihrer langen Locken durch seine Finger gleiten.
    »Das ist mit dir wie mit den jungen, streunenden Katzen in London«, sagte er zärtlich, »sie haben eine entsetzlich harte Kindheit und tausendmal ist ihr Leben in Gefahr, aber wenn es ihnen trotzdem gelingt, groß zu werden, dann wirft sie so leicht nichts mehr um, dann sind sie erfahren, schnell und zäh. Wie du, Mary. Du hast Verstand und Kraft und sehr viel Mut. Und deshalb weiß ich, daß du von nun an auch allein...«
    »Nein, Nicolas, nicht...«
    »Mary, Mary, nicht weinen! Bitte, Liebes, nicht weinen. Mary,
wir können nicht hier sitzen, als hätten wir uns in einem Wirtshaus getroffen und plauderten über alte Zeiten. Das hier ist der Tower, und innerhalb der nächsten sieben Tage wird man mich aufs Schafott führen und...«
    »Nicolas!«
    Er nahm schnell ihre Hände, die sie vor ihr Gesicht hatte schlagen wollen, um nichts mehr zu sehen und zu hören.
    »Mary, bitte hör mir zu. Es bleibt uns nicht viel Zeit, uns an den Gedanken zu gewöhnen, daß es vorbei ist, deshalb fangen wir besser gleich damit an. Ich weiß, ich kann mich darauf verlassen, daß du für das Kind sorgen wirst, und für dich auch. Du bist keine Frau, die einen Mann braucht, um durchs Leben zu kommen. Du hast auch mich nie gebraucht. Nach Shadow’s Eyes zu kommen und dich zu retten war nur ein schöner Traum von mir. Es hätte mir gefallen, dein Beschützer zu sein, und, Gott im Himmel, wenn du es gewollt hättest, Mary, ich hätte mein Leben für dich gegeben!« Seine Stimme klang sanft und erschöpft.
    Mary starrte ihn an, die Hände noch immer in seinen, Tränen auf dem Gesicht. Was redete er denn da? Sie brauchte ihn nicht, sie wollte nicht beschützt werden? Das war ja ganz falsch! Sie war so einsam und allein wie ein kleines Kind, sie war immer einsam gewesen, solange sie denken konnte, und natürlich brauchte sie ihn! Sie brauchte ihn, um das Kind großzuziehen, um es zu beobachten, um stolz darauf zu sein. Um mit jemandem über alles zu reden, über Mr. Bloom, seine interessanten Fälle, über die banalen Dinge des Alltags, Menschen auf der Straße, was sie redeten, worüber sie lachten. Sie brauchte ihn, um mit ihm auf den König zu schimpfen, gegen Norfolk und Cromwell zu hetzen, sich über die Politik des Hofes zu entrüsten und zu versuchen, die Lehren der Reformatoren zu verstehen. Sie konnte das doch nicht allein, es wäre zu trostlos ohne ihn.
    »Was redest du denn!« sagte sie. »Du hast mich gerettet und du hast mich beschützt. Du warst da, als ich dich brauchte. Und ich brauche dich immer noch. Nicht so sehr, weil ich mich nicht allein ernähren oder kein Dach über dem Kopf finden könnte oder mich fürchten würde, sondern...«

    Er sah sie liebevoll an.
    »Nein, du fürchtest dich vor nichts, Mary, nicht wahr?«
    Sie hielt inne, holte Atem, um zu antworten und begriff im gleichen Moment, daß es nicht stimmte.
    »Es stimmt nicht«, sagte sie heftig, »Nicolas, es stimmt gar nicht! Ich fürchte mich so sehr. Es ist so eine schreckliche Zeit, in der wir leben, und alles ist so, daß man Angst davor haben muß. Und weißt du, ich habe solche Angst, alles zu verlieren, was du mir gegeben hast. Diese Geborgenheit... ich habe das nie vorher gehabt. Ich wußte nicht, wie es ist,

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