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Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Titel: Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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gehen, dann würde deine Liebe erwachen. Aber ich habe mich verrechnet. «
    Seine Worte klangen so provozierend lässig, daß sich Mary verletzt fühlte. Sie zog die Augenbrauen hoch und sagte:
    »Was ihr Männer euch immer einbildet! Begehren und Liebe sind zwei völlig verschiedene...«
    »Rede nicht so dumm daher«, sagte Nicolas zornig. »Begehrt hast du mich, nicht? Du Unschuldsengel, was willst du mir jetzt weismachen? Die ebenso alte wie dumme Ansicht, daß Männer wahre Liebe und einfaches Begehren nie auseinanderhalten können und bei ihnen das eine ohne das andere möglich ist, während Frauen, diese empfindsamen Geschöpfe, sich überhaupt nicht vorstellen können, mit einem Mann zu schlafen, den sie nicht aufrichtig lieben? Nein, mein Engel, du bist der beste Gegenbeweis. Dafür, daß du noch immer deinen Frederic im Herzen herumträgst, hast du Nacht für Nacht viel zu hemmungslos dafür gesorgt, wirklich auf deine Kosten zu kommen!«
    Mary zuckte zusammen.
    »Möchtest du, daß ich gehe?« fragte sie, aber Nicolas schüttelte den Kopf.
    »Nein, bleib hier. Wir haben nur noch so wenig Zeit.«
    Sie schwiegen beide, dann sagte Mary leise:
    »So wenig Zeit... ach, Nicolas, warum mußten wir jetzt streiten? Wir haben so wundervoll zusammengelebt.«

    »Aber vielleicht nur deshalb, weil wir über die wichtigsten Dinge nicht gesprochen haben. Doch du hast recht. Ausgerechnet jetzt sollten wir nicht streiten. Wir sollten einander etwas Schönes, Heroisches sagen, woran wir uns festklammern können – ich, wenn ich mein Haupt auf den schwarzen Bock lege, und du, wenn du dich in den kommenden Jahren hin und wieder ein bißchen einsam fühlst. Aber vielleicht fühlst du dich gar nicht einsam!« Er betrachtete sie abschätzend. »Du bist erst neunzehn Jahre alt, Mary, und eine sehr schöne Frau. Ich wette, keine zwei Jahre, und du bist wieder verheiratet. «
    »Nein«, erwiderte Mary tonlos, »nie wieder. Ich binde mich niemals wieder an einen Menschen. Es passiert mir jetzt zum zweiten Mal, daß ich jemanden verliere, auf den ich mich felsenfest verlassen habe. Nochmal halte ich das nicht aus.«
    »Verlassen! Brauchen! Binden! Niemals lieben? Mary, du schwarze Seele, hast du vielleicht auch Frederic nicht geliebt?« Die Kälte glitt von Nicolas ab, sein Gesicht bekam den leichtsinnigen Ausdruck von einst.
    »Vielleicht kannst du’s gar nicht. Womöglich haben die früher viel mehr in dir zerstört als du weißt. Du bist so vollkommen besessen von der Idee, Sicherheit zu haben und Geld und Anerkennung, daß gar kein Platz ist für etwas so Überflüssiges wie Liebe! Herzchen, endlich durchschaue ich dich! Und soll ich dir etwas sagen? Es beruhigt mich sogar! Du wirst die Zeit nicht vertun, deinem inniggeliebten Ehemann nachzutrauern und vergangene Freuden zu beweinen. Du wirst es so machen wie nach Frederics Tod, da hast du einfach geheiratet und das Beste daraus gemacht. Und jetzt wirst du wieder einen Weg finden und bestimmt ganz hervorragend für unsere Tochter sorgen!«
    Seine Worte kränkten Mary. Er hielt sie für völlig gefühllos, aber das war sie doch gar nicht! Sie stand hier und meinte sterben zu müssen vor Elend, weil er sie verlassen würde, aber er merkte das nicht, sondern verletzte sie auch noch.
    »Es stimmt nicht«, sagte sie, inzwischen vor Schwäche zitternd, »es stimmt einfach nicht, was du sagst! Was du mir bedeutest, das...«

    Seine Hand umklammerte ihren Arm.
    »Was? Los, Mary, sei lieb zu mir, ich glaube, meine Tapferkeit war geheuchelt, ich will doch eine Lüge hören! Du vergibst dir nichts, denn meine Tage sind gezählt. Sag mir, daß du mich liebst, wir wissen beide, es ist gelogen, aber ich kann mich daran erinnern, wenn ich dem verfluchten Henker gegenübertrete und vor Angst fast rasend werde, weil ich so gern, Mary, so schrecklich gern weiterleben würde!« Nicolas Gesicht war auf einmal verzerrt vor Kummer, die Augen dunkel vor Schmerz. Mary sah ihn an und begriff, wie sehr er sich fürchtete. Er litt, ihr Nicolas litt wie noch nie zuvor. Er hatte Angst zu sterben, er hatte Angst vor der Folter gehabt, er war erniedrigt worden, geschlagen und hatte gestanden; nun stand er vor ihr und flehte sie an, ihn zu lieben, weil es das einzige war, woran er sich in seiner Verzweiflung festhalten könnte.
    Sie sah in sein totenblasses Gesicht, die entzündeten Augen, die blutleeren Lippen, auf den tagealten Bart und das struppige Haar. Wo ist nur seine Todesverachtung? fragte sie sich

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