Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon
Mann ... « Anne mußte sich mühsam zusammennehmen, um nicht weiterzusprechen. Allein der Gedanke an Cavendor konnte sie völlig die Beherrschung verlieren lassen.
Mary sagte schnell: »Nun, dann gute Nacht, Miss Brisbane!« und wollte das Zimmer verlassen. Im gleichen Moment hörten sie vom Gang die schweren, polternden Schritte von Lord Cavendor. Seine Art zu laufen war immer äußerst aggressiv, aber diesmal wirkten sie noch bedrohlicher als sonst. Das Haus dröhnte, die Bodenbretter schwankten. Mary wich von der Tür zurück.
»Das ist Seine Lordschaft«, sagte sie mit unwillkürlich gedämpfter Stimme, »ich warte, bis er vorbei ist.«
»Was sucht er denn hier?« fragte Anne nervös. »Sein Schlafzimmer ist in einem ganz anderen Flügel des Hauses. Ich frage mich ... «
» Vielleicht will er noch irgend etwas mit Mylady besprechen.«
» Es ist so spät. Er kommt nie um diese Zeit her...« Mit angehaltenem Atem lauschten beide nach draußen. Cavendor war vor Cathleens Tür stehengeblieben. Einen Moment lang blieb es ruhig, dann schlug er mit aller Gewalt gegen das Holz. Es klang wie ein Donnerkrachen.
Anne schrie auf. » O Gott, er will zu Mylady! Ich muß ihm sagen, daß sie krank ist und daß er...« Sie sprang auf.
Mary hielt sie am Arm zurück. »Nicht. Sie machen es nur noch schlimmer. Er geht vielleicht gleich wieder.«
»Cathleen!« brüllte Cavendor. »Cathleen, verflucht noch mal, öffne die Tür oder ich trete sie ein! Öffne sofort! Ich habe dein gottverdammtes Getue satt! Mach jetzt die Tür auf!«
Anne zuckte, als sie seine groben Worte hörte. Für gewöhnlich sprach Cavendor zwar auch nicht freundlich mit seiner Frau, aber er verwandte die höfliche Anrede »Madame«, wie sie unter vielen Eheleuten gerade in Adelskreisen üblich war. Zudem wurde er immer distanzierter und gewählter, je mehr er sich über sie ärgerte. Diesmal schien er nicht mehr die geringsten Hemmungen zu haben.
»Ob er betrunken ist?« fragte Anne mit bebenden Lippen.
Aus Cathleens Zimmer klang eine dünne, ängstliche Stimme. »Was ist los? Anne! Anne, wo bist du?«
»Anne ist nicht hier!« schrie Cavendor. »Und Gott sei ihr gnädig, wenn sie sich noch einmal in Dinge mischt, die sie nichts angehen! Jetzt bin ich da, und ich bin dein Mann, und deshalb wirst du jetzt diese Tür öffnen! Ich zähle bis drei!«
Cathleen stieß einen spitzen Schrei aus.
»Monsieur, Sie haben hier nichts zu suchen!« rief sie. »Bitte gehen Sie. Ich bin müde, ich möchte schlafen!«
»So, müde ist die feine Dame? Vielleicht brauchst du ein bißchen mehr Abwechslung, damit du dich ein wenig frischer fühlst! Du widerst mich an, hörst du? Du bist die dümmste Gans, die mir in meinem Leben über den Weg gelaufen ist und wahrscheinlich war es ein verdammter Fehler, dich zu heiraten, aber da es nun leider geschehen ist, werde ich mich nicht wie irgendein hergelaufener Fremder aus deinem Schlafzimmer sperren lassen! Du wirst mich nicht zum Gespött der Leute machen, eine so dumme Person wie du nicht! Ich werde einen Sohn bekommen, und bis du endlich schwanger bist, werde ich jede Nacht dein keusches Bett mit dir teilen, ob dir das nun gefällt oder nicht! Mach die Tür auf!«
Cathleen schrie erneut. »Anne! Anne! So hilf mir doch!«
Anne wollte sich losreißen. »Ich muß zu ihr. Laß mich...«
»Nein, nicht«, rief Mary, »er bringt Sie wirklich um. Sie können ihr jetzt nicht helfen!«
»Aber sie ruft nach mir!«
»Wenn Sie da hinübergehen, riskieren Sie bloß, daß er Sie für immer hinauswirft. Dann hat sie niemanden mehr, der zu ihr hält!«
»Aber ich kann nicht zulassen, daß dieser Wüstling...«
»Er ist mit ihr verheiratet. Sie können ihn nicht daran hindern, daß er zu ihr geht. Miss Brisbane, bitte...«
Draußen hörten sie, wie sich Cavendor mit seinem ganzen Gewicht gegen die Tür warf. Sie vernahmen splitterndes Holz und ein lautes Bersten, mit dem der Rahmen auseinanderbrach. Cathleen schrie wie ein Tier in der Falle. Anne hielt sich verzweifelt die Ohren zu und vergrub ihr Gesicht in einem Kissen. Mary blieb regungslos stehen, wo sie war. Die Schreie von Cathleen lähmten sie, in hilflosem Zorn starrte sie in die Dunkelheit. Es gab eine Tür, die von Annes Zimmer hinüber in das von Cathleen führte; als hellerer Fleck hob sie sich von der Wand ab. Plötzlich wurde sie aufgerissen und Cathleen erschien auf der Schwelle, in einem Gewand aus weißer Spitze, die blonden Haare offen und zerzaust.
»Anne!«
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