Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon
schrie sie. »Hilf mir! Er bringt mich um!«
Anne sprang auf und lief auf Cathleen zu, aber im gleichen Moment war es Lord Cavendor gelungen, in das Zimmer seiner Frau einzudringen. Er zerrte Cathleen aus Annes Armen.
»Zum Teufel mit Ihnen, Miss Brisbane«, brüllte er, »lassen Sie endlich die Finger von meiner Frau! Sie gehört jetzt mir und Sie haben nichts mehr mit ihr zu schaffen!«
»Das ist nicht wahr«, schrie Anne zurück, »sie gehört immer noch zu mir! Ich bin bei ihr gewesen fast so lange sie lebt, und Sie werden das nicht zerstören. Lassen Sie sie los!«
Einen Augenblick lang bot sich Mary das absurde Bild zweier an Cathleen zerrenden Menschen, von denen keiner bereit schien nachzugeben. Cathleen hing beinahe apathisch zwischen ihnen und Cavendor war vor Wut außer sich. Anne hatte flammende Augen bekommen und ein schneeweißes Gesicht mit ganz hellen Lippen. Niemand hatte sie je so erlebt.
Sie ist verrückt, dachte Mary, vollkommen verrückt! Was verspricht sie sich denn davon?
Cavendor riß Cathleen mit einem gewaltigen Ruck an sich und stieß sie in ihr Zimmer hinein, wo sie schwer atmend und laut schluchzend stehen blieb. Anne wollte ihr nachstürzen, aber Cavendor hob die Hand und schlug ihr mit der Faust ins Gesicht, so daß sie zusammenbrach und bewegungslos liegenblieb. Mary stieß einen erschrockenen Seufzer aus. Cavendor, der sie bislang nicht bemerkt hatte, fuhr herum. Seine sonst so sorgfältig gekämmten dunklen Haare hingen wirr in der Stirn, sein Gesicht hatte einen brutalen, grausamen Ausdruck angenommen.
»Du bist ja auch hier! Wage bloß nicht, dich einzumischen! Gesindel, das ihr alle seid! Die da«, er wies auf Anne, die sich noch nicht rührte, »die ist schuld an allem. Die hetzt meine Frau jeden Tag neu gegen mich auf. Weil sie eifersüchtig ist, diese alte, kranke, abartige Hexe! Nimm dich vor der bloß in acht. Und jetzt«, er trat einen Schritt zurück und stand als dunkler Schatten im hellen Rahmen der Tür, » jetzt will ich von keiner von euch mehr ein Wort hören. Ich will mit Cathleen allein sein. Und wer sich einmischt, dem jage ich eigenhändig eine Kugel in den Kopf!« Er schmetterte die Tür zu.
Mary hörte, wie der Riegel vorgeschoben wurde und Cathleen entsetzt aufschrie. Mit zitternden Fingern zündete sie eine Kerze an und kniete neben Anne nieder. Vorsichtig drehte sie sie zu sich herum. Anne kam gerade wieder langsam zu Bewußtsein. Aus ihrer Nase rieselte eine feine Blutspur und verlor sich in den bleichen Mundwinkeln. In ihre Augen trat ein angestrengter Ausdruck.
»Was ist denn geschehen?« fragte sie mühsam. Mary tupfte ihr mit einem Taschentuch das Blut aus dem Gesicht.
»Nicht sprechen«, sagte sie leise, »bleiben Sie ganz ruhig.«
Im flackernden Licht der Kerze sah Anne ganz grau aus.
»Oh, mein Kopf«, stöhnte sie. Aus dem Nebenzimmer war das Geräusch reißender Kleider zu hören und erneut Cathleens Schreie. Mary wunderte sich, warum nicht schon längst das ganze Haus herbeigeeilt kam. Anne richtete sich auf. Langsam kehrte die Klarheit in ihre Züge zurück. Sie wollte aufstehen, sank aber zurück.
»Er ist da drüben mit Cathleen, nicht? Was macht er mit ihr? Was tut er da?« Sie versuchte erneut aufzustehen, aber Mary hielt sie fest.
»Sie können nicht hinüber. Er hat die Tür verriegelt. Bitte, machen Sie so etwas nicht noch mal. Dieser Mann ist völlig unberechenbar. «
»Und Cathleen ist ihm ausgeliefert. Meine arme, süße, liebliche Cathleen. Und ich kann ihr nicht helfen. O Gott, Mary, ich kann es nicht aushalten!« Sie schluchzte laut auf und vergrub ihren Kopf an Marys Brust. Mary strich ihr über die Haare. Sie hoffte, daß Anne das laute Keuchen Cavendors nicht hören konnte. Von Cathleen vernahm sie keinen Laut mehr.
»Ich muß ihr helfen«, jammerte Anne. Sie lag noch immer neben Mary auf den Knien und schaffte es nicht, den Schwindel aus ihrem Kopf zu verbannen. Ihr war übel, sie klapperte leise mit den Zähnen und konnte nicht aufhören zu weinen.
»Es ist ja gleich vorbei«, flüsterte Mary. »Psst, nicht weinen, Miss Brisbane. Er will Kinder, verstehen Sie, und er hat ein Recht auf Kinder. Und vielleicht wird auch Cathleen viel glücklicher, wenn sie erst ein Kind hat. Sie wird es lieben und es wird ihr Halt geben, und sie hat nicht mehr solches Heimweh...« Mary plapperte
vor sich hin, was ihr einfiel. Sie wollte selber nicht hören, was im Nebenzimmer geschah, sie versuchte, sich auf anderes zu
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