Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon
voraus!« Ambrose warf den Kopf zurück und lachte schrill. »Als es drauf ankam, war ich stärker!«
»Sei nicht so sicher, Vater. Es ist noch lange nicht raus, ob Leben besser ist als Sterben. Schon gar nicht ein so jämmerliches Leben wie deines!« Mary verließ das Zimmer und schlug heftig die Tür hinter sich zu. Ihr Scheppern klang zusammen mit dem hektischen Lachen von Ambrose.
Mary preßte ihre Hände auf beide Ohren und legte ihre heiße Stirn an die Wand. Sie mußte so rasch es nur ging eine Möglichkeit finden, dem Armenhaus zu entkommen. Es war ja ganz sicher, daß sie und Frederic heiraten würden, bloß wann? Wenn sie ihm nur klarmachen könnte, daß die Zeit drängte! Mit weit offenen Augen starrte sie in die Dunkelheit. Sie machte sich nichts vor. Ihr Leben wäre leichter verlaufen, hätte Ambrose heute hinter dieser Tür das Zeitliche gesegnet. Durch seine Krankheit hatte sie beinahe ihr ganzes Geld aufgebraucht, so daß sie jetzt nicht einmal nach Oakwood House umsiedeln konnte. So sehr es sie kränkte, daheim zu sitzen wie eine dumme kleine Braut – jetzt blieb ihr nichts anderes übrig, als zu warten.
Ambrose erholte sich rasch, und in ganz Shadow’s Eyes wurden die Menschen von einer abergläubischen Furcht ergriffen. So viele Leute waren gestorben, solche, die niemandem etwas zuleide taten, regelmäßig in die Kirche gingen und einmal in der Woche beichteten. Gott hatte ihnen nicht geholfen, dafür ließ er Ambrose ungeschoren davonkommen, den dümmsten, bösartigsten, gottlosesten Mann, den das Dorf je erlebt hatte.
»Manchmal denkt man, die Erde ist vom Teufel beherrscht«, flüsterten die Menschen einander zu, »und das liegt an dem Streit Englands mit dem heiligen Vater in Rom. Jetzt haben wir den Teufel im Land!«
Es wurde September, und eines Tages schreckte das ganze Land auf, als sich die Nachricht verbreitete, daß Anna Boleyn in London ihr Kind zur Welt gebracht hatte und daß es ein Mädchen war. Die kleine Prinzessin Elisabeth wurde zwar von ihrem Vater voller Stolz
dem Hof und dem Volk präsentiert, aber jeder wußte, daß Henry von einem Sohn geträumt hatte und tief enttäuscht sein mußte. Eine Tochter hatte er auch von Katharina gehabt. Königin Anna sollte mehrere Tage hintereinander geweint haben, erzählte man sich überall, und natürlich war sie sich darüber im klaren, daß sie bald wieder schwanger werden mußte. Sie hatte selber fest daran geglaubt, einen Sohn zu bekommen, denn jeder Astrologe des Landes hatte ihr dies prophezeit, aber auf der anderen Seite hatte auch jeder Astrologe gewußt, daß eine gegenteilige Vorhersage mit dem Henkersbeil oder lebenslangem Kerker bestraft worden wäre. Die einzige, die in ihrer Messingkugel ein Mädchen gesehen hatte, war die alte Nan Mortimer gewesen, aber gewitzt wie sie war, äußerte sie dies nur gegenüber Mary. Mary, die durch die Bestätigung der Prophezeiung wieder einmal in ihrem Glauben an Nans seherische Fähigkeiten bestätigt worden war, fragte, ob denn die Königin später noch einmal einem Prinzen das Leben schenken würde. Aber Nan schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte sie bedächtig, »nein, sie wird überhaupt keine lebenden Kinder mehr bekommen. Und ich sehe dunkle Wolken über ihr. Ihre Schicksalsstunde ist nicht fern!«
»Oh, wirklich? Und, Nan, was ist mit mir? Kannst du etwas sehen? «
Nan kicherte. »Das habe ich dir doch schon einmal gesagt, Mary. Achte auf die Männer! Wer dich liebt, wird lange leiden.«
»Aber das kann nicht sein. Denn ich leide doch, nicht er!« Doch Nan bekam einen abweisenden Blick und versank in tiefes Schweigen. Mary wußte, daß nun nichts mehr aus ihr herauszubekommen war und ging davon.
Wie albern, den Worten einer alten, verwirrten Hellseherin Glauben zu schenken, dachte sie.
Sie bemühte sich noch immer, jeden Tag Frederic zu treffen, obwohl sie beide wenig Zeit hatten. Meist gelang es ihr erst gegen Abend, der Arbeit im Haus zu entkommen. Sobald sie gehen wollte, fingen Ambrose und Edward an, böse Schmähreden gegen sie zu führen. Mit obszönen Worten zogen sie über sie her, gerade dann, wenn sie es hören mußte.
»Traurig, eine Hure im eigenen Haus zu haben, findest du nicht, Edward?« fragte Ambrose. »Und dann noch eine, die es mit dem letzten Drecksbauern von Shadow’s Eyes treibt. Was sie wohl kriegt dafür?«
»Nichts, außer einem elenden Bastard, den sie dann für ihr weiteres Leben mit sich herumschleppt.«
»Wahrscheinlich muß sie noch
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