Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon
wiedergefunden?«
»Ja. Es war ein bißchen schwierig am Anfang. Es ist fast, als müßten wir einander neu kennenlernen. Wir sind beide so viel älter geworden in den letzten Jahren.«
Pater Joshua lächelte, aber er sah nicht glücklich aus dabei. »Dann gehen Sie nicht nach London zurück?«
»Nein. Natürlich nicht.«
»Ja, ja. Mary, hör mir zu.« Unwillkürlich fiel der Priester in die alte Form der Anrede zurück. Er zog einen Stuhl herbei und setzte sich. Sein Blick ruhte voller Sorge und Freundschaft auf Mary. »Mary, du weißt es vielleicht nicht, aber ich habe dein Heranwachsen mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt. Deine Familie ist mit Sicherheit die schwierigste, die ich hier kenne, gerade deshalb habe ich Edward, Bess und dich immer beobachtet. Mit Edward und Bess ist alles so gekommen, wie ich es erwartet hatte, aber du hast mich überrascht. Du weißt sehr genau, was du willst, und du bist gescheit.
Als du vor vier Jahren mit Cathleen Fairchild von hier fortgingst, habe ich Gott dafür gedankt, daß er dich von deiner Familie befreit hat – und ihn gebeten, er möge dafür sorgen, daß du nicht wieder zurückkommst.«
Er hielt inne. »Verzeihen Sie – Miss Askew!«
»Sagen Sie ruhig Mary zu mir.« Mary trat näher an ihn heran. »Worauf wollen Sie hinaus?«
»Ich habe wohl nicht das Recht, mich einzumischen. Aber es würde mich beruhigen, zu sehen, daß Sie wieder nach London gehen. Sie gehören nicht hierher, und Sie sollten alles tun, um sich dem Zugriff Ihrer Familie zu entziehen.«
»Ich habe Frederic Belville.«
»Eine Kinderfreundschaft. Es dürfte Ihnen nicht das Herz brechen, ihn zu verlassen.«
»Ich glaube«, sagte Mary, »das könnte es schon.«
Pater Joshua seufzte. Er nahm Marys beide Hände in seine und sah sie eindringlich an.
»Mary«, sagte er behutsam, »sind Sie ganz sicher, daß Sie Frederic Belville lieben? Oder kann es sein, daß Sie nach den Jahren in London, die zweifellos unruhig waren...« Er sah einen Schatten über ihr Gesicht gleiten und nickte. »Zweifellos unruhig«, wiederholte er, »ja, vielleicht suchen Sie nur verzweifelt nach Ruhe und Geborgenheit, und Frederic scheint sie Ihnen geben zu können.«
»Wieso scheint er sie mir nur geben zu können?«
»Weil die Zeit gegen euch ist. Mein Gott, zwanzig Jahre später vielleicht würde ich sagen: Geh hin, heirate ihn, krieg Kinder und sei glücklich. Aber das wird euch nicht vergönnt sein!«
Unwillig sah sie ihn an. Immerzu, seit Jahren schon, redete er von der bösen Zeit, die kommen und sie alle ins Verderben führen würde. Sie war es leid, ihm zuzuhören, sie mochte nichts davon wissen.
»Ich nehme an, Sie sprechen von der Kirchenspaltung«, sagte sie, »ich sehe aber nicht, was das Frederic angehen sollte. Er ist kein Priester. «
»Er haßt den König. Er hat ihn immer gehaßt. Solange er lebt, hat er sehen müssen, wie die Steuereintreiber Seiner Majestät seinen
Vater bedrängt, sich von Marmalon geholt haben, was sie nur konnten. Er hat gesehen, wie seine Mutter weinend am Küchentisch saß, weil sie nicht wußte, wie das Leben weitergehen sollte, wie sein Vater vor Sorge keine Nacht mehr schlafen konnte. Wußten Sie das?«
»Nein. Über seine Sorgen als Kind hat er nie mit mir gesprochen. Ich dachte, nur ich hätte es schlecht gehabt.«
»Sie hatten es auch viel schlechter als er. Die Belvilles haben einander wenigstens immer geliebt. Aber jeder haßt nur das Elend, das er kennt. Frederic seines.«
»Er haßt den König wirklich?«
»Frederic ist nicht wie Sie, Mary. Sie sind sehr stark, und vor allem sind Sie bereit, Unabänderliches hinzunehmen und irgendwann einmal zu vergessen. Sie können sagen: Gut, ich lebe in dieser Zeit, aber es ist nun einmal nicht zu ändern, und ich werde alles tun, so unbeschadet wie möglich hindurchzukommen. Aber Frederic... er vergißt nichts und vergibt nichts. Er wird alles tun, um dem König zu schaden. Er wird sich aus den Streitigkeiten mit der Kirche – und sie werden kommen und höllisch sein – nicht heraushalten. Er trägt seine Rachegelüste vor sich her wie eine brennende Kerze, die er mit seiner Hand vor jedem Windstoß schützt, der sie zum Verlöschen bringen könnte. Verstehen Sie? Er wird sie auch vor Ihrer Liebe schützen!«
»Und was glauben Sie, soll ich tun?«
»Ich habe es bereits gesagt.«
Mary strich sich die Haare aus dem Gesicht. »Sie sind Priester«, sagte sie, »Sie können das vielleicht nicht verstehen. Ich liebe
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