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Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Titel: Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Frederic. Aber ich liebe noch viel mehr als nur ihn. Ich liebe Marmalon, meine Freiheit, die ich dort haben werde, die Ruhe, diese sanfte, wundervolle Gleichmäßigkeit eines jeden Tages. Das hat mir alles bedeutet, als ich ein Kind war. Ich weiß nicht, wie ich sonst das Armenhaus ausgehalten hätte. Ich brauche Frederic, ich habe ihn immer gebraucht. Und ich kann nicht von ihm lassen. Niemals.«
    Pater Joshua erhob sich. »Ja«, meinte er leise, »dann kann ich nichts mehr sagen. Ich bete, daß es für euch beide keine Enttäuschung geben wird. Aber ihr seid jetzt erwachsen. Denk daran, daß
die Kindheit womöglich nur deshalb so ruhig und gleichmäßig erscheint, weil sie unwissend ist. Später sieht man zuviel. Und weiß zuviel.« Er ging zur Tür. »Auf Wiedersehen, Mary. Lassen Sie sich einmal bei mir sehen.«
    »Natürlich.« Sie blickte ihm nach, wie er in gebeugter Haltung das Haus verließ. Ein alter, kränklicher Mann, der hilflos mitansehen mußte, wie eine Kirche, die er für uneinnehmbar und gültig für alle Zeiten gehalten hatte, in diesem Land ihrem Ende zuging. Was kümmerte sie das? Sie hatte ihr eigenes Leben und das war schwer genug. Sie konnte nicht noch an die Sorgen der Kirche denken.
    Jeden Abend, wenn sie mit ihrer Arbeit fertig war, lief sie hinaus nach Marmalon, und die Menschen von Shadow’s Eyes, die wenigen, die noch lebten, zerrissen sich die Mäuler über sie. Lettices Tochter – genauso schamlos wie die Mutter!
    Mary war das gleichgültig. Für sie zählte nur Frederic, niemand sonst. Meistens trafen sie sich irgendwo auf einer Wiese oder am Ufer eines Baches, und wie früher schon gelang es Frederic auch jetzt, in jedem Augenblick, da er Mary begegnete, alle Schrecken des vergangenen Tages mit einem Schlag auszulöschen. Er brauchte nichts zu sagen, er mußte nur die Arme um sie legen, dann wußte sie, daß sie geborgen war. Er war viel ruhiger als sie, wirkte stets sehr beherrscht, aber in seinen Augen stand ein Ausdruck, der ihr deutlich machte, daß sich sein Temperament nach innen kehrte, daß ihn heftige, wilde Gedanken umtrieben. Alles, was im Land geschah, bewegte ihn. Er verurteilte die absolutistische Staatsform und haßte Henry mit einer Verbissenheit, die Mary manchmal erschreckte. In dieser Regung konnte sie ihn nicht verstehen. Natürlich hatte Marmalon unter dem König gelitten, aber tausend anderen im Land war es genauso ergangen. Wieso sollte man seine Kraft verschwenden und jemanden bekämpfen, der doch der Stärkere war?
    »Deinen Zorn solltest du heiligsprechen lassen«, sagte Mary einmal wütend, als er wieder eine lange, heftige Rede gehalten hatte, »denn es gibt nichts sonst, was du so hegst und pflegst!«
    Frederic sah sie überrascht an. »Kannst du das nicht begreifen?« fragte er.

    »Nein. Nein, wirklich nicht, so sehr ich mich bemühe. Es ist ein schöner Sommerabend, und ich bin bei dir, aber du denkst an den König. Ach, er ist doch so gleichgültig!«
    »Das ist er nicht. Er...«
    »Ich sollte dir wichtiger sein.«
    »Aber das bist du doch.« Frederic zog sie an sich und küßte sanft ihre geschlossenen Augen. »Es tut mir leid. Ich werde dich damit nicht mehr behelligen.«
    Er konnte ohne jeden Übergang seine Stimmung wechseln. War er gerade noch niedergedrückt, wütend und in eigene Gedanken versunken gewesen, so konnte er gleich darauf von einer beinahe wilden Fröhlichkeit sein, lebhaft und unruhig. Wenn sie zusammen waren, liefen sie stundenlang durch die Wiesen und Wälder um Shadow’s Eyes, saßen nebeneinander auf einem Hügel und beobachteten die untergehende Sonne. Sie hielten sich selten in Marmalon auf. Mary hatte das sie durchaus amüsierende Gefühl, daß es Frederic unschicklich fand, wenn sie dort blieben.
    »Dabei wären wir nicht einmal allein«, hatte sie gesagt, »Fremderic, wer ist der junge Mann, der bei dir war neulich?«
    »Ach ja, er erzählte mir, daß du da warst. Ein Freund aus der Schule. Er hat mir geholfen, als mein Vater krank war und hilft mir immer noch bei der Arbeit. Weißt du, ich bin nicht der geborene Bauer. Mir fällt das alles ziemlich schwer.«
    »Nun, er jedenfalls ist der geborene Bauer. Er hat überhaupt keine Manieren. Zumindest kann man sie nicht bemerken, weil er nie ein Wort hinausbringt.«
    »Laß uns nicht über ihn reden«, bat Frederic gequält, »und laß uns nicht nach Marmalon gehen. Es ist so schwierig mit ihm zusammen. «
    Mary fragte nicht weiter. Sie hatte eine leise Furcht, ihn mit

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