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Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Titel: Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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irgend etwas zu bedrängen, aber entgegen ihrer sonstigen Ehrlichkeit legte sie sich diesmal keine Rechenschaft darüber ab. Sie wollte nichts wissen, nichts erkennen, nichts sehen. Sie wollte in Marmalon leben, den Hof von Schmutz und Disteln befreien, die Rosen frei von Unkraut blühen lassen. Sie wollte fünf oder sechs oder sieben Kinder haben, und vor allem wollte sie Frederic heiraten.
    In Marys Erinnerung blieben diese Sommerwochen des Jahres
1533 für ewig hinter einem sanften Schleier, in ein verschwommenes Licht getaucht. Die Tage, die sie mit ihrem dahinsiechenden Vater verbrachte, verrannen zäh, wie in einem fiebrigen Dunst. Die Abende mit Frederic blieben, wenn auch auf eine andere Art, ebenso unwirklich. Später war Mary davon überzeugt, daß sie zu dieser Zeit bereits gewußt hatte, daß ihnen kein Glück vorherbestimmt war. Oft, wenn sie zusammen waren und die Abendsonne besonders leuchtend unterging und der blühende, warme Sommer vor ihnen zu üppig, bunt und überschwenglich schien, hatte Mary das Gefühl, daß nur eine Reihe wild farbiger Bilder vor ihren Augen vorüberglitt und kein wahres Geschehen, und daß die Bilder zu schnell verrannen.
    Manchmal hätte sie am liebsten geschrien: »Lieber Gott, ich will nicht nur träumen! Laß diesen Sommer doch wahr sein und bitte, halt die Zeit an, sie vergeht zu schnell, schneller als richtig sein kann!«
    Einmal fragte sie Frederic: »Hast du auch manchmal das Gefühl, daß irgend etwas Schreckliches geschehen könnte?«
    Frederic war kaum überrascht. »Ja«, erwiderte er nachdenklich, »aber das liegt vielleicht daran, daß wir beide unfähig sind, einem Glück zu trauen.«
     
    An einem Abend im Juni kehrte Mary wie üblich erst nach Einbruch der Dunkelheit ins Armenhaus zurück. Sie war sehr gut gelaunt und wäre am liebsten gleich in ihr Zimmer gegangen und hätte sich ganz ihren Träumen hingegeben, aber pflichtschuldig stieg sie zunächst die Treppe zu Ambroses Zimmer hinauf. In der Tür blieb sie überrascht stehen.
    Eine Kerze neben dem Bett brannte, und Ambrose saß aufrecht an ein Kissen gelehnt da und sah seiner Tochter entgegen. Er war bleich und elend, aber das fiebrige Brennen in seinen Augen war erloschen, sein Blick überraschend klar.
    »Guten Abend, Mary«, sagte er.
    Mary schloß langsam die Tür. Voll ungläubigen Staunens blickte sie ihren Vater an. »Du siehst viel besser aus«, sagte sie, »wie fühlst du dich?«

    »Hervorragend. «
    »Aber... das kann doch nicht sein!«
    »Wie du siehst, kann es sein.« Ambrose lächelte, mit einem leicht boshaften Triumph auf dem Gesicht. »Es gibt Menschen, die das Fieber überstehen.«
    Mary antwortete nicht, und er fuhr fort: »Du bist eine gute Pflegerin, Mary. Ich hatte verdammt recht, als ich darauf bestand, daß du hierbleibst. Du hast mir mein erbärmliches Leben gerettet.«
    »Das freut mich, Vater.«
    »Wirklich?« Ambrose grinste boshaft. »Freut es dich wirklich? Oder hast du insgeheim gehofft, daß der alte Kerl verreckt, weil du dann außer deiner Mutter auch noch deinen Vater los bist?«
    Mary hatte sich wieder gefaßt. »Natürlich nicht«, erwiderte sie ruhig, »wenn ich das gewollt hätte, dann wäre ich fortgegangen und hätte dich hier liegen lassen. Weder Bess noch Edward hätten für dich gesorgt, das weißt du. Also hör auf, mit wilden Beschuldigungen um dich zu werfen.«
    »Aber eben, als du reingekommen bist, warst du ziemlich erschrocken. «
    »Ja, und wenn?« Mary wandte sich zum Gehen. »Weißt du«, sagte sie, »es ist mir völlig gleichgültig, ob du lebst und wie du lebst. Ich verschwinde sowieso.«
    »Ach ja, richtig! Und wohin?«
    »Nach Marmalon. Ich weiß nicht, ob ich es dir schon mal gesagt habe, aber Frederic Belville und ich werden heiraten.«
    »Sieh an! Der Freund aus alten Tagen. Der verrückte Belville, dieser kriecherische Freund des Priesters und der Kirche. Nach Marmalon bist du also immer abends gelaufen. Heute auch?«
    »Ja.«
    »Du dreckige, kleine Hure«, sagte Ambrose langsam, »steigst den Kerlen nach, daß sie sich kaum vor dir retten können. Du bist kein bißchen besser als die Schlampe, die deine Mutter war.«
    »Ah, jetzt wo sie tot ist, führst du große Reden! Jetzt kann sie dich ja nicht mehr mit drei hingeworfenen scharfen Worten und einem kalten Lächeln zur Ruhe bringen. Du hast sie gehaßt, nicht? Ebenso gehaßt wie begehrt. Und sie war dir immer, immer überlegen!«

    »Nicht immer. Sie ist tot und ich lebe. Das habe ich ihr

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