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Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Titel: Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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sprach weiter, aber Mary hörte nicht hin. Müde dachte sie: Der Bruch steht seit Jahren unmittelbar bevor. Und ich kann das nicht mehr hören. Ich habe es so satt!
    »Der Klerus des Landes wird unruhig«, sagte Frederic gerade, »überall wird Widerstand geleistet. Der König wird alles tun, ihn im Keim zu ersticken. Sämtliche protestantischen Gefangenen sind auf Betreiben der lutheranischen Anna Boleyn aus den Gefängnissen entlassen worden, manche von ihnen werden zu Denunzianten. Es wird Priester geben, die sich verstecken müssen.«
    »Und ausgerechnet in Marmalon?«
    »Ja.«

    »Aber das...« Mary unterbrach sich, ihre Augen wurden groß. »Wer ist der junge Mann, den ich in Marmalon getroffen habe?« fragte sie scharf.
    Frederic senkte den Kopf. »Es wäre besser, du wüßtest es nicht. Aber soviel nur: Niemand darf erfahren, daß er bei mir ist.«
    Mary schwieg eine Weile.
    »So weit ist es also«, sagte sie dann leise, »du steckst schon mittendrin. Ach, Frederic...«
    »Ich kann es doch nicht mehr ändern. Aber siehst du, deswegen habe ich Angst, dich nach Marmalon zu holen. Ich möchte dich nicht auch noch in Gefahr bringen.«
    Mary schüttelte den Kopf und lächelte. »Und wenn du die gesamte Kirche von England hier verbergen würdest«, sagte sie, »es macht mir nichts aus. Wenn wir ein Leben teilen wollen, dann müssen wir auch seine Gefahren teilen.«
    »Aber ...«
    »Ich fürchte mich nicht. Vor niemandem auf der Welt.« Ihre Augen blickten ihn klar an, und er begriff, daß es ihr ernst war.
    Sie fürchtet sich wirklich nicht, dachte er. Er seufzte.
    »Gib mir ein dreiviertel Jahr«, bat er, »bitte Mary, nur das. Solange halte noch aus!« Der Ausdruck seiner dunklen Augen ließ Marys Widerstand zerschmelzen. Genauso hatte er sie damals angesehen, als er sie bat, ihn gehen zu lassen und auf ihn zu warten, weil er in die Schule nach Southampton wollte. Diese unnachgiebigen Belvilles! Eine Empfindung von ebensoviel Wut wie Hilflosigkeit befiel sie.
    Immer warten, warten, dachte sie ungeduldig, alt und grau werde ich noch darüber!
    »Ich warte«, sagte sie, »aber ich warte nicht zu lange. Denk daran, ich war in London, und ich könnte dorthin zurückkehren. Ich kann wieder bei Lady Cathleen leben – für immer, wenn ich Will!«
    »Bist du da so sicher?«
    »Ich bin sicher«, sagte sie, »und ich will nur, daß du das weißt!«

     
    Im Januar des Jahres 1534 hatte sich Shadow’s Eyes von der Seuche und all ihren Schrecken erholt, und die Menschen fanden wieder Zeit, sich um die Belange ihrer Nachbarn zu kümmern und aufeinander zu achten. Die alte Lust am Tratsch erblühte neu. Das Oakwood House, für viele Monate geschlossen, öffnete seine Pforten und wurde wieder zum begehrten Treffpunkt. Für Mary hatte das den Vorteil, daß sich Edward und Ambrose die meiste Zeit dort aufhielten, und sie die beiden wenigstens tagsüber los war. Sie selber mied die Menschen des Dorfes, weil sie genau wußte, daß alle über sie tuschelten.
    Zwei Dinge gab es in Shadow’s Eyes, die stets im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses standen: Die Askews vom Armenhaus, über die man sich wie über nichts sonst in der Welt entrüsten konnte, und Frederic Belville von Marmalon. Die Askews führten ein Leben in tiefster Sünde, jeder wußte, daß Edward der Vater der Hälfte aller illegitimer Kinder im Dorf war, und seine Schwester Mary die Kunst des Lasters in London offenbar vervollkommnet hatte, wohingegen Marmalon in seiner Einsamkeit eine fast abergläubische Wirkung auf die Menschen ausübte, denn es lag fernab von allem Leben, und selten nur sah man einen Belville im Dorf. Schon der Großvater und Vater des jungen Belville waren Eigenbrötler gewesen, der Sohn stand ihnen darin in nichts nach. Kam er doch einmal nach Shadow’s Eyes, behandelte er die Menschen dort zwar höflich, aber seine Distanz verletzte sie. Sie mochten ihn nicht und empfanden es als eine zusätzliche Beleidigung, daß es ausgerechnet Mary Askew war, mit der er sich als einzige abgab. Diese schamlose Person mit ihrem arroganten Gehabe – ausgerechnet sie wählte er unter den vielen Dorfschönen! Natürlich hätte es keine Mutter zugegeben, daß sie selbst ihre Tochter ganz gern mit Frederic Belville verheiratet hätte, weil er einen schönen Besitz hatte, zudem unabhängig und intelligent war. Sie lästerten über ihn und bewunderten ihn insgeheim.
    In den düsteren, trostlos grauen Wintertagen des beginnenden neuen Jahres beobachtete man

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