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Die Sternenkrone

Die Sternenkrone

Titel: Die Sternenkrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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nötig. Allem Anschein nach habe ich mich selbst mit einem Medikament versorgt. Ich wende es bereits an.«
    »Sehr gut – dann bist du deine Akne bis zum Mittwoch los!«
    »Ich kann es kaum erwarten.«
    »Nimm es nicht so ernst! Schließlich habt ihr alles andere – die Kraft der Jugend, die Frische, die Beweglichkeit. Keine Schmerzen. Deine Augen sind völlig in Ordnung, nicht wahr, Di?«
    Sie nickt.
    »Sehr gut! Wenn ich euch so ansehe, bereue ich, daß ich meinen Zeitsprung zehn Jahre früher genommen habe. Aber ich wollte kein Risiko eingehen – ihr wißt ja, die kürzere Lebenserwartung der Schwarzen ... Fünfundsechzig erschien mir einigermaßen sicher. Nun, vielleicht kann ich euren Urlaub ein wenig mitgenießen – und deshalb gleich die erste und wichtigste Frage: Was kann ich für euch tun?«
    Don sagt langsam: »Ich kaue noch schwer an den völlig veränderten politischen und sozialen Verhältnissen herum. Di geht es vermutlich ebenso ... All die braven Bürger, eingesperrt in Enklaven und bewacht vom Militär, während draußen der Mob die Macht übernommen hat! Ich dachte eigentlich immer, falls es in unserem Land je zu einer Art Klassen-Apartheid kommen sollte, dann genau andersherum ...«
    »Ich verstehe, was du meinst ... Nein, das wäre unmöglich gewesen. Überall in den Großstädten hatten sich die Asozialen und Nichtstuer zu Gangs zusammengerottet, die sich in den Elendsvierteln verschanzten. Das galt besonders für die Heranwachsenden, die in eurer Jugend gerade erst geboren waren. Spätestens mit zehn gehörten sie zu einer Kinderbande. Alle arm, alle Analphabeten, ohne Hoffnung auf Arbeit und ein geregeltes Leben – auf einen Platz in dem Gefüge, das wir Gesellschaft nannten, unsere Gesellschaft. Dazu kamen natürlich die Mafia-Typen. Eigentlich begann es zunächst harmlos, private Schutztruppen, die ein Viertel bewachten, eine Enklave hier, eine da. Wenn ihr euch zurückerinnert, war es schon in unserer Zeit üblich, Firmengelände und andere wichtige Einrichtungen durch Zäune abzusichern und nachts zu kontrollieren.
    Als sich die Lage so verschlimmerte, daß die staatlichen Schulen schließen mußten, weil der Mob Busse und Züge überfiel – ganze Gruppen wurden ausgeraubt, es kam zu Geiselnahmen mit Lösegeldforderungen, und kaum ein Tag verging ohne Bombenterror –, blieb gar keine andere Wahl, als diejenigen zu schützen, die sich nicht zur Wehr setzen konnten. Insbesondere die Alten ... Überlegt doch, schon in unserer Jugend gab es Stadtviertel, die man selbst am hellichten Tag mied. Ganz zu schweigen von den großen Parks ...«
    »Wie erfolgte die Auswahl?« fragte Don neugierig.
    »Zunächst ganz einfach. Anspruch auf einen Platz in einer Enklave hatte jeder, der das wollte und bezahlen konnte, jeder, der einen Job oder sonstige Mittel besaß, um sich und die Seinen zu ernähren – Leute ohne Eintrag im Polizeiregister und ohne Alkohol- und Drogenprobleme ... Mit der Zeit bildeten sich Gruppen. So leben in eurer Enklave 47 nur TCK-Beschäftigte und deren Familien. Mittlerweile ist das Aufnahmeverfahren etwas komplizierter. Man muß sich einer Art psychologischem Test unterziehen ... Und nicht alle sogenannten >anständigen< Leute leben in Enklaven. Einige haben sich zu losen Gemeinschaften in den ruhigeren Vierteln der Stadt zusammengeschlossen, vor allem die Jüngeren, die das Abenteuer suchen. Dazu ein paar bewundernswerte Idealisten, die sich der Kinderbanden anzunehmen versuchen. Keiner weiß, wie lange sie es schaffen werden.« Er schüttelte traurig den Kopf mit dem ergrauten Haar. »Grausam, grausam ...«
    »Was meinst du mit grausam?« fragt Di. »Verbrecher und Bombenanschläge ...« Sie zieht fröstelnd die Schultern hoch.
    »Die Natur. Seht ihr, die brutale Tatsache ist, daß wir sie einfach aussperren und verhungern lassen. Zumindest nehmen wir in Kauf, daß sie sich gegenseitig umbringen. Uns sind mittlerweile einige Fälle von Kannibalismus bekannt geworden. Eine Stadt produziert keine Nahrung, und der Einkauf sowie die Zuteilung von Lebensmitteln sind ganz in unserer Hand. Wir geben an bestimmten Orten Grundnahrungsmittel aus, aber wir wissen nicht, wie viele der wirklich Bedürftigen bis dorthin vordringen – und unversehrt zurückkehren. Alte, Kranke, junge Mütter mit Säuglingen. Auch sie gibt es da draußen. Könnt ihr euch vorstellen, daß diese Frauen immer noch Kinder zur Welt bringen? Falls diese Kinder überleben, haben sie nicht die geringste

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