Die Sternenkrone
Chance auf Schulbildung oder Arbeit und keinerlei Mittel – ganz zu schweigen von dem Wunsch –, in Frieden ein bürgerliches Leben zu führen. Da draußen wächst ein Monster heran, und wir tun nichts dagegen!«
»Mein Gott«, sagte Don leise. »Wohin führt diese Entwicklung?«
»Wir befürchten das Schlimmste. Die Bevölkerung da draußen scheint zu schwinden, vor allem die jungen, kräftigen Männer machen sich rar. Eine Zeitlang war man froh darüber, weil man glaubte, sie hätten sich gegenseitig ausgerottet. Aber inzwischen erhalten wir alarmierende Berichte. Es ist überall das gleiche – bewaffnete Banden breiten sich von den Großstädten über das ganze Land aus und überfallen abgelegene Dörfer oder Farmen. In der Regel haben sie es auf Nahrungsmittel abgesehen. Auch Frauen sind darunter.
Es ist abzusehen, daß diese Nomadenbanden noch zunehmen werden. Sie fallen wie die Heuschrecken über einen Ort her, plündern ihn und ziehen weiter, wenn sie nichts mehr finden. Natürlich bewaffnen sich auch die Farmer, aber um sich wirksam verteidigen zu können, müßten sie ihre Höfe praktisch in Festungen verwandeln. Und ihre eigentliche Habe – die Felder und die Viehherden – lassen sich nicht vor Angriffen schützen. Wenn es uns gelingen soll, die Städte mit Nahrung zu versorgen, müssen wir der Landbevölkerung ganze Armeen zu Hilfe schicken. Ich habe meine pessimistischen Momente, in denen ich einen Krieg ohne Ende vor mir sehe. Die Barbaren vor den Toren Roms ... Drogen gehören übrigens zu ihrem Alltag. Unsere Zivilisation ist ein wackliges Gebäude, durchsetzt und ausgehöhlt von mobilen, räuberischen Wilden, die ihre eigenen Werte und ihre eigene Kultur haben. Und merkt euch eines – die blanke Anarchie hält sich nicht lange. Aus ihr gehen starke Führer hervor ...
Wir befinden uns in einer ähnlichen Lage wie die Kelten in Britannien, die in steter Furcht vor den Einfällen der Wikinger, der Dänen und der Goten lebten. Wir brauchen unsere ganze Kraft, um den Feinden standzuhalten. An Neuerungen oder einen Fortschritt ist unter solchen Umständen nicht zu denken. Aber ich komme ins Dozieren. Man merkt, daß ich lange keine Gelegenheit mehr hatte, vor aufmerksamen Zuhörern zu sprechen. Entschuldigt ...
Stand in eurem Brief übrigens, daß diese Enklave bereits dreimal mit Waffen angegriffen wurde?«
»Nein! Wie konnte das geschehen?«
»Das war damals, als noch die Nationalgarde die Enklaven bewachte. Vor fünfzehn Jahren oder so. Sie durchbrachen die Wälle mit richtigen Belagerungsmaschinen, strömten herein, plünderten, vergewaltigten und brannten alles nieder. Irgendwie wurden sie wieder zurückgedrängt oder getötet. Nach dem dritten Versuch griff die Armee ein und übernahm die Kontrolle. Der Präsident ist zwar immer noch Oberbefehlshaber der regulären Truppen, aber bei den letzten Wahlen machte ein General namens Packwood mit dem Slogan vom Schutz der Zivilisation das Rennen ... Ich muß wohl nicht eigens erwähnen, daß unsere Außenpolitik ein Scherbenhaufen ist. Keiner weiß wirklich, was in der Welt vorgeht, aber allem Anschein nach haben die anderen Nationen ähnliche Schwierigkeiten. In Mexiko ist das Militär ebenso an der Macht wie in einer Reihe anderer Staaten. Kanada steht kurz vor dem Umsturz.«
»Heiland!« wispert Don. Di starrt Fred nur ungläubig an. Dann kommt Don ein Gedanke.
»Und was ist aus den oberen Zigtausend geworden?« erkundigt er sich. »Aus den Ultrasuperreichen?«
»Einige leben ebenfalls in Enklaven. Viele jedoch haben ihre privaten Inseln, auf denen sie praktisch unumschränkt herrschen, umgeben von privaten Schutztruppen und Luftverteidigungsanlagen. Natürlich sind auch dort die Lebensmittel knapp, aber sie kaufen ganze Bootsladungen mit frischen Erzeugnissen vom Festland auf – und die Meere bieten vermutlich genügend Fisch. Nach und nach verliert das Geld allerdings seinen Wert, und es hat bereits eine Art Tauschwirtschaft eingesetzt ... Darf ich?«
Er tritt ans Spülbecken und füllt ein Glas mit kaltem Wasser.
Di scheint einen Moment lang aus ihrer Erstarrung zu erwachen. »Kann ich ... können wir dir etwas anbieten? Schrank A – öffne dich!« Unwillkürlich huscht ein selbstzufriedenes Lächeln über ihre Züge, als die Tür eines Hängeschranks aufschwingt und den Blick auf eine Batterie von Flaschen freigibt. Sie streckt sich und holt eine heraus.
»Ein Riesling, wenn mich nicht alles täuscht ... Einen Schluck Wein,
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