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Die Sternenkrone

Die Sternenkrone

Titel: Die Sternenkrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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der gleichen Woche den positiven Bescheid für Yale. Du bist nur noch auf Wolken geschwebt. Auf dem Ball mußt Du alle anderen Mädchen ausgestochen haben.
    An jenem Abend machten Dir nämlich gleich drei Männer – Jungs, meine ich – einen Heiratsantrag.
    Ich zog nur zwei davon ernsthaft in Betracht: Wally Blair, den Erben des Blair-Vermögens, und Bill Armitage ... William Armitage III. Wally war ein netter Kerl, ein wenig dick und immer gut gelaunt, und er hatte sich wahnsinnig in mich verknallt. Aber er war nur halb so reich wie Bill, ein hochgewachsener, dunkler Typ, der bis auf seine eng zusammenstehenden Augen nicht schlecht aussah. Außerdem hatte er herrlich vornehme Manieren. Er selbst besaß damals bereits Millionen, und er sollte eines Tages einen dicken Brocken des gigantischen Hunt-Imperiums erben. Er hielt sich meist sehr im Hintergrund; ich fand nur durch einen Zufall heraus, daß er mit der Privat-767 seiner Mutter ins Internat gebracht und wieder abgeholt wurde. Und er hatte ebenfalls einen positiven Bescheid von Yale.
    Ich zögerte nicht lang. Dafür hast Du sicher Verständnis.
    Es war geplant, daß die Hochzeit – falls die Familienvollversammlungen ihr Einverständnis gab – irgendwann um den Tag der Arbeit stattfinden würde. Die Feier sollte schlicht und unauffällig sein. Ich stand im Begriff, einiges über die ganz Reichen und ihre Lebensweise zu lernen: Aus Angst vor Entführungen lehnten sie jeden Prunk und jedes Aufsehen ab.
    Er schien von mir geblendet. Und er war sexuell ausgehungert. (Die Tatsache, daß ich Jungfrau war, wurde von sämtlichen Armitages beifällig aufgenommen.) Ich fand es albern, auch noch die letzten paar Wochen auszuharren. So blieb ich immer öfter und länger in seiner Wohnung und zog schließlich ganz zu ihm. (Gott, ich erinnere mich noch, mit welcher Hingabe ich neue Nachthemden und Reizwäsche kaufte, um ihm auch wirklich zu gefallen!)
    Dann kamen ein paar seltsame Wochen. Bill legte zunächst eine Art kalte, wahnsinnige Lust an den Tag – doch im Lauf der Zeit nahm die Kälte zu und die Lust ab. Aber er blieb immer höflich. Heute ist mir klar, woran es lag. Ich war im Bett eine glatte Versagerin, ein Eisklumpen. Ich glaubte, es würde reichen, wenn ich die Beine spreizte und alles über mich ergehen ließ. Orgasmus? Nicht die Spur! Ich masturbierte hinterher. Vielleicht tat er das gleiche. Er war total unerfahren und, wie ich inzwischen weiß, extrem schüchtern. Und voll von seiner angeborenen Überlegenheit. Eine reifere Partnerin hätte ihm wahrscheinlich helfen können. Nicht aber Miss College-Queen.
    Und dann, etwa einen Monat, nachdem ich zu ihm gezogen war, kam dieses Telegramm. Ich hatte den Großen Wirtschaftskrach nur am Rande wahrgenommen. Aber mein – Dein Vater war, wie Du vielleicht weißt, im Börsengeschäft tätig. Er verlor über Nacht sein Vermögen, mit einem einzigen Schlag. Nicht ein Cent blieb übrig. Und so erschoß Vater zuerst Mutter und dann sich selbst. Tja ...
    Ich mußte für eine Woche nach St. Louis, und Bill flog während meiner Abwesenheit heim.
    Um den Rat der Familie zu befragen, wie ich heute weiß.
    Und in der Nacht, als ich zurückkehrte, hatte er ein passendes Geschenk für mich parat: ein sündteures Koffer-Set. Und er lud mich zum Essen in Miro's Restaurant ein. Und als wir heimkamen, sagte er zu mir: »Dir ist doch sicher klar, daß wir die veränderte Sachlage besprechen müssen.«
    »Veränderte Sachlage?« Ich Idiot begriff nicht, was er meinte. Ich glaubte allen Ernstes, daß er auf den Skandal anspielte, den der Tod meiner Eltern ausgelöst hatte.
    »Findest du nicht auch, daß eine Heirat unter den gegenwärtigen Umständen unpassend ... ah ... unklug wäre?«
    Was konnte ich darauf sagen? Was wirst Du sagen? Ich versuchte mir einzureden, daß er die Hochzeit nur verschieben wollte. Aber nein. Er meinte, daß sie geplatzt war. Geplatzt! Ich glaubte, meinen Ohren nicht zu trauen, murmelte irgend etwas und blieb ruhig genug, um mir den Rest anzuhören. Denn so begriff ich endlich, daß er einzig und allein vom Geld redete. Weiß Gott, die paar Millionen von Daddy hätten kaum gereicht, um das Flugbenzin für ihre Privatmaschinen zu bezahlen. Aber er hatte sie immerhin. Der Unterschied zwischen ein paar Millionen und null ist der Unterschied zwischen gerade noch oder nicht akzeptabel. Es war plötzlich, als hätte ich mich mit AIDS infiziert oder wäre von unserem Planeten verschwunden. Er schien erfreut,

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