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Die Sternenkrone

Die Sternenkrone

Titel: Die Sternenkrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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daß ich so vernünftig reagierte – dabei war ich nur wie vor den Kopf geschlagen –, und er glaubte allen Ernstes, daß ich mich an die Spielregeln halten und ihm beipflichten würde. Genaugenommen tat er sich selbst leid, daß er aufgrund tragischer Umstände die Verlobte verlor.
    »Ich dachte, die Koffer kannst du vielleicht gut gebrauchen, wenn du ausziehst«, meinte er und sah mich beifallheischend an.
    Ich versicherte ihm, daß er richtig gedacht hatte. Er zeigte sich sehr erleichtert. Das ideale Abschiedsgeschenk für das Mädchen, das man vor die Tür setzt.
    »Und da mir der Gedanke kam, daß du momentan vielleicht in ... ah ... Geldschwierigkeiten sein könntest, habe ich dir für den nächsten Monat ein Zimmer im Martha Washington gebucht. Ich meine ...« – er besaß den Anstand, rot zu werden –, »es ist alles im voraus bezahlt. Du bist doch nicht gekränkt, oder?«
    Du wirst ihm versichern, daß Du nicht gekränkt bist. Das Martha ist – oder war – ein altes, gutbürgerliches Hotel, in dem vorwiegend junge Models und vertrottelte alte Damen wohnen.
    »Aahh!« seufzte er. »Ich danke dir.«
    Und dann wollte er mit mir schlafen.
    Zum Abschied, verstehst Du? Ich wehrte ihn nicht ab. Am Morgen packte ich dann all meine neuen Sachen in die teuren Koffer, und er bestellte ein Taxi. Er war ängstlich darauf bedacht, nichts zu vergessen oder falsch zu machen. Im allerletzten Moment stopfte er unter tausend Entschuldigungen fünf Zwanzigdollarscheine in meine Tasche, damit ich ein wenig Kleingeld hätte. (Später bereute ich, daß ich damit den Taxifahrer bezahlte – ich hatte Hunger!)
    Mein erster und so ziemlich einziger Gedanke war, daß ich als Model arbeiten könnte. Zu meinem Glück präsentierten sie gerade die Herbstmode und brauchten Leute; sie brachten mir das Notwendigste bei und gaben mir Arbeit. Sie behielten mich sogar, bis die Weihnachtshektik nachließ. Aber dann ...
    An dem Abend, als sie Dich entlassen, gehst Du zum erstenmal in eine Bar für Singles, mit der festen Absicht, Dich vollaufen zu lassen. Trinken ist in unseren Kreisen nicht üblich.
    Drüben in einer der Nischen wird ein gutgekleideter, sympathisch aussehender älterer Herr sitzen, der alles beobachtet. Ich bemerkte ihn überhaupt nicht, bis mir der Ober seine Einladung zuschob. Ich setzte mich zu ihm, und ehe ich einen klaren Gedanken fassen konnte, erzählte ich ihm, daß sie mich gefeuert hatten und daß ich ohne einen Penny auf der Straße saß. Keine außergewöhnliche Story damals.
    Er war ganz Mitgefühl, und er hatte eine warme Stimme, mit einem schwach mediterranen Akzent. Er hieß Nikko.
    Es dauerte keine Woche, ehe ich zu Nikko zog. Sein Sex war buchstäblich eine Offenbarung für mich. Er weckte Gefühle, die ich nie in mir vermutet hatte. Nach kurzer Zeit war ich ihm hörig, von ihm abhängig.
    Das war seine Masche, sein Geschäft. Er bildete mich aus. Nikko lebte von Callgirls. Ich dagegen dachte, ich sei im Himmel – wenn ich überhaupt denken konnte.
    Und dann kam der Abend, an dem wir einen >lieben alten Freund< in seinem Hotelzimmer besuchten. Ich glaube, Nikko schüttete irgend etwas in meinen Drink. Jedenfalls entschuldigte er sich plötzlich und ließ mich mit dem Mann allein. »Sei lieb zu Ted, Carissima – um meinetwillen«, sagte er. »Ich warte auf dich.«
    Einige Wochen blieb er bei diesem Theater. Dann klingelte eines Nachts das Telefon in seiner Wohnung, und er sagte zu mir: »Carissima, ich fühle mich nicht gut. Du kannst allein hingehen, nicht wahr? Du kennst das Spiel inzwischen.«
    Nun, ich protestierte, aber er hatte mich in der Hand. Eines Nachts, als ich rebellisch wurde, drehte er sich blitzschnell um und verpaßte mir ein blaues Auge. Und kurz darauf verkaufte er mich an einen anderen Zuhälter. Er mußte ein neues Mädchen ausbilden, verstehst Du?
    Meine Liebe, selbst heute fällt es mir schwer, die Monate und Jahre zu beschreiben, die nun folgten ... Ich überspringe sie bis zu dem Stadium, in dem ich tatsächlich als Nutte arbeitete – mit einer großen Handtasche auf und ab ging und Passanten ansprach. Auf mein gutes Aussehen konnte ich mich hier nicht mehr verlassen – es war auf dem Straßenstrich eher hinderlich. Ich hatte wenig Erfolg, obwohl ich mir Mühe gab – obwohl Du Dir Mühe geben wirst – denn der Mann, für den ich arbeitete, war geldgierig. »Wenn du nicht so und soviel heimbringst, bekommst du nichts zu essen.«
    Natürlich versuchte ich wegzurennen. Aber

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