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Die Sternenkrone

Die Sternenkrone

Titel: Die Sternenkrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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Kennzeichen der US-Luftwaffe.
    »Die Türen stehen offen«, flüsterte Edouard. »Die Besatzung ist abgesprungen.« Er bekreuzigte sich und spähte nach unten. »Ich glaube, da liegt Spence Bay.« In den Wolken vor ihnen war ein Streifen mit Turbulenzen zu sehen; das bedeutete eine Küste. Edouard schlug noch einmal auf die Kontrollklappen und schaltete die Motoren ab.
    Nichts tat sich. Die Propeller dröhnten weiter.
    Er verdrehte die Augen, betete flüsternd. Die Küste kam näher. Was sollte sie mit Edouard machen? Sie konnte nicht dulden, daß er in dem Moment, der die Krönung ihres Lebens bedeutete, sich an sie klammerte. Wie hatte ER das geplant? Oder war das eine der Kleinigkeiten, von denen ein Mann erwartete, daß seine Frau damit fertig wird?
    Edouard hatte sich erhoben und zerrte die Fallschirme heraus. »Wir müssen springen, Madame.« Er warf ihr einen zu.
    Sie zog den Wertchip aus dem Geldtransfergerät und drückte ihn ihm in die Hand. Als er aufsah, stand sie an der entgegengesetzten Wand und hielt eine kleine goldene Hülse auf ihn gerichtet.
    »Springen Sie nur, Edouard. Lassen Sie mich allein. Mit mir ist alles in Ordnung. Und versuchen Sie nicht, Dummheiten zu machen, sonst werde ich Sie mit diesem tödlichen Giftgas unschädlich machen.«
    »Aber nein, Madame!«
    »Edouard, gehen Sie! Ich meine es ernst. Sie glauben doch nicht, daß all diese Phänomene gewöhnliche Naturerscheinungen sind? Springen Sie jetzt, Edouard, sonst werden Sie sterben!«
    »Sie müssen, ich werde ...«
    Als er die Hand nach ihr ausstreckte, zerbarst das Kabinenfenster neben ihm, und warme Luft und Bruchstücke von Plexiglas wirbelten herein. Ein großer, feuchter Gegenstand mit zappelnden Fangarmen heftete sich an das zerfetzte Fenster.
    Edouard stieß einen wimmernden Ton aus. Er blickte in die Tiefe, vorbei an dem Flugzeugflügel, der jetzt von Elmsfeuer in Brand gesteckt war, und sah dann zu dem hübschen, wahnsinnigen Mädchen zurück. Gleich darauf übernahm seine gallische Seele das Kommando. Er steckte sich den Wertchip in die Tasche, verbeugte sich und machte einen Sprungdurch die Tür.
    Sie war selig, endlich allein zu sein! P. lachte vor Freude, schob sich in den Pilotensitz und zog die Tür zu. Das Flugzeug konnte offenbar bestens selbständig fliegen, ein Spielzeug im reißenden Strom SEINES Atems. Die von der Sonne angestrahlte Wolkenflut unter ihr schien stillzustehen, während sie sie in nördlicher Richtung überholte. Das Ding mit den Fangarmen war davongetrieben worden. Ein Schwarm Mäuse – oder vielleicht Lemminge? – trudelte vorbei.
    P. blickte nach hinten. Am südlichen Himmel erhob sich auf ganzer Breite eine turmhohe Wand aus Dunkelheit; sie brodelte, schmutzige Blitze zuckten auf; sie wurde von ihr um die Krümmung der Erde herumverfolgt. Warme Luft, so wußte sie, verursachte Kondensation. Dieser gewaltige Sturmkolben mußte offenbar den tropischen Strom, auf dem sie dahinglitt, nach oben drücken. Eine prunkvolle Brautkutsche, fürwahr, die sie in SEINE Arme führte. Alles für sie! O mein Geliebter, bin ich deiner endlich wert?
    Ungestüm riß sie sich das Hütchen vom Kopf, zog die Handschuhe aus und bürstete sich die Haare. All die Jahre des Wartens, des Verlangens, der Sehnsucht nach einem Zeichen von IHM, das verzweifelte Ringen um SEINE Liebe! Während dies vor ihr lag! Sie legte die Bürste weg, mit gezierten Bewegungen zupfte sie den neuen violetten Pelz zurecht und auch das hübsche Dessous – die Vorstellung, daß sie fast das abscheuliche braunrote Wildlederzeug getragen hätte! Natürlich hätte er wahrscheinlich keine Augen für derlei Nebensächlichkeiten, dachte sie; das war bei Männern im allgemeinen so. Aber vielleicht würde ihm der Eindruck im großen und ganzen gefallen, bevor ... bevor die Raffinesse ihrer Garderobe dort endete, wo jede Brautkleidung unwichtig wurde.
    Ihr Schoß bebte genüßlich. Sie parfümierte sich mit einem zarten Dufthauch (aus der goldenen Hülse)und legte sich zurück, um zu warten. Um für IHN vollkommen bereit zu sein.
    Draußen zog die Sonne weiter nach Westen, beleuchtete grüne und aprikosenfarbene Schattierungen auf den Wolken. Ihr fiel ein, daß es nicht dunkel werden würde, da Mittsommernacht war. Welch erlesener Geschmack! Und es gab Musik, ein tief ins Mark gehendes melodiöses Stampfen wie das Schlagen eines riesigen Herzens. SEINES Herzens? Ihr Herz pochte heftig; sie sah, daß das Flugzeug an Höhe verlor, in die Wolken

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