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Die Sternenkrone

Die Sternenkrone

Titel: Die Sternenkrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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hinabsank. Es geschah wirklich!
    Wärme durchflutete sie, ihre Glieder waren schwer vor köstlicher Verzückung. SEINE Gegenwart, die leichteste Berührung durch IHN wäre eine so durchdringende Wonne, daß sie an Schmerz grenzte. Jeder Schmerz wäre Wonne ... die Spitze einer winzigen Befürchtung piekste sie wie ein Nadelstich: ER war so groß. ER – der Erdball – wie könnte ER sie eigentlich letzten Endes nehmen? Wie in sie eindringen?
    Und wenn es nun TATSÄCHLICH weh tat?
    Sie schob diesen kleinmütigen Gedanken beiseite. Die Maschine berührte jetzt die Schaumspitzen der Wolken. Vor ihr ragte etwas Glitzerndes in die Höhe. Was konnte das sein?
    Es glitt auf sie zu, und sie erkannte es. Ein gewaltiger Penis aus Eis! Wie der Pilz aus längst vergangener Zeit, doch Tausende von Metern hoch und – oh! – abstoßend! Mißgestaltet – mit brutalen Erhebungen und Schwellungen – tierisch – satanisch ...
    P. keuchte; zum erstenmal durchfuhr sie ein Gefühl der Angst. Was stand ihr wirklich bevor? Was wußte sie eigentlich von IHM? Als ER ihre Familie ausgerottet hatte, hatte sie das als Liebe aufgefaßt – doch wenn ER keinesfalls liebevoll war? Wenn ER grausam war? Oder ein vollkommen fremdartiges Wesen?
    Jetzt erst dachte sie daran, wie zerbrechlich ihr kleiner Körper war. Ein paar Grad Übertemperatur, ein herabfallender Stein konnten sie umbringen. ER dagegen warf mit Bergen um sich. ER war die ganze Welt! Selbst wenn ER sie liebte, würde SEINE Liebe sie zerreißen. Sie war wahnsinnig! Sie eilte einem grauenvollen Tod entgegen!
    Sie stieß einen wimmernden Ton aus, als zwei weitere schroffe, obszöne Formen aus Eis vorbeihuschten, bei denen sie sich ein großflächiges, unmenschliches Gesicht vorstellte, das die blutigen Überreste ihres Körpers angaffte. Würde sie den Sprung nach draußen schaffen, könnte sie entkommen? Sie umklammerte den Fallschirm und starrte die bedrohliche Sturmwand an, die sich düster hinter ihr erhob.
    Sie waberte unheilvoll, als ob sie lebendig wäre. Vor ihren Augen vereinigten sich zwei gigantische, pralle graue Regenwolken zu einer gemeinsamen Form, Langsam erfaßten ihre überreizten Sinne sie. Es war ein Auge! Ein Auge von kosmischer Riesenhaftigkeit, göttlich geschnitzt, ohne Frage jung und männlich. Zärtliche Blitze spielten darin wie die Strahlen der Liebe.
    Gebannt sah P, wie sich zwei riesige Lider trafen und mit planetarischer Zärtlichkeit blinzelten.
    Sie sank in ihren Sitz zurück, alle Furcht war von ihr gewichen. Wie konnte sie IHM nur mißtrauen! Diese neue Luftströmung zeugte davon, wie bedacht ER sich um sie kümmerte. Und wie feinfühlig er die elektronischen Instrumente des Flugzeugs manipuliert hatte! Natürlich würde ER zart mit ihr umgehen. ER verstand alles – was immer ER vorhatte, es würde himmlisch sein. Sie lachte verzückt, als ein weiterer ungeheurer Eispenis sich an ihr vorbeischob. O Geliebter, ich begebe mich in deine Hände ...
    Plötzlich tauchte die Maschine in die Wolken, und in der Kabine wurde es dunkel. Sie schien sehr steil hinabzutauchen; zögernd berührte sie den Steuerknüppel und fragte sich, ob ER von ihr erwartete, daß sie IHM half. Vielleicht war es nicht angemessen, den Höhepunkt ihres Lebens willenlos wie ein Brocken Fonduefleisch über sich ergehen zu lassen. Die Kabine wurde durchgerüttelt, als etwas über ihr durch die Finsternis donnerte – es war eine herrenlose Frachtmaschine. Die Düsternis vor ihr wurde von einer hellen Stelle unterbrochen. Sie zwang ihre ermatteten Glieder, sich zu bewegen und zu prüfen, wie schnell sie absank, und genau in diesem Moment brach das Flugzeug in helles Sonnenlicht durch. Ein Meer von kaltem Grün lag unter ihr.
    Sie sah, daß sie sich in einem ausgedehnten offenen Wolkenkrater befand, der dem Auge eines Hurrikans glich. Eistürme erhoben sich rings um sie herum; das Meer war nur ein schmaler Kanal. Die Norseman bewegte sich noch immer mit einer bei weitem zu hohen Geschwindigkeit. Wie sollte sie landen? Gleichgültig – ER war bei ihr! ER war direkt vor ihr, sie konnte SEINE Nähe jetzt spüren.
    Sie fuhr die Klappen aus, voller Vertrauen – und tatsächlich, eine Windbö packte sie und trieb sie in die richtige Richtung. Die Kufen setzten auf. Das Flugzeug machte ein paar Hüpfer auf der Wasseroberfläche und trieb dann auf eine Eiswand zu. Ein glitzernder Pfad führte die Wand hinauf und verschwand hinter einem hohen Eisbrocken.
    ER würde dort sein. ER. ER,

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