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Die Sternenkrone

Die Sternenkrone

Titel: Die Sternenkrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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Gestalt.
    Es dauerte einige Herzschläge lang, bis sie die Ungeheuerlichkeit erfaßte. Der junge, blonde, nackte Mann auf der Couch schlief keineswegs, sondern blinzelte sie mißmutig an. Ihre benebelten Augen nahmen die Stoppeln in seinem Gesicht und die sich überall nach einem Sonnenbrand abschälende Haut wahr. Neben ihm lag eine Flasche Chivas Regal.
    »Die Halluzinationen werden immer erfreulicher«, bemerkte die Erscheinung mit schleppender Stimme.
    Ihr Kinn fiel herunter, ihre Seele klaffte auf. Die Eisgipfel wirbelten zusammen mit vervielfachten Visionen dieses unheiligen Körpers auf SEINER geheiligten Couch um sie herum.
    »H-H-Hadley!« kreischte sie. »Hadley Morton! Nein! Nein! Nein!« Weinend fiel sie auf die Knie und schlug mit der Faust gegen das orangefarbene Gebilde. »Neieiein! Liebling, wo bist du?« Ihr Kopf rollte wie wahnsinnig von einer zur anderen Seite, sie schaukelte mit geschlossenen Augen vor und zurück.
    Doch zwischen ihren Schreien berührte sie etwas von innen, linderte ihre Krampfanfälle. Sie lauschte forschend in sich hinein. Hatte ER diese Gestalt gewählt? Ja, daran konnte kein Zweifel bestehen. Langsam öffnete sie die Augen, wobei sie vermied, Hadley anzusehen, und blickte nach oben. Das glitzernde Eisgewölbe, die singenden Vögel – es war alles noch immer wahr. Sie war auf magische Weise hier an SEI-NEN geheiligten Ort gebracht worden. Und ER war hier, besänftigte sie sich. Das mußte also alles seine Ordnung haben. Sie hatte einen dummen Fehler begangen, hatte SEINEN Plan mißverstanden.
    Das Plastikding, an das sie sich lehnte, war mit einer Schablonenbeschriftung versehen. NICHT VOR DEM AUSSTEIGEN AUFBLASEN. OSHKOSH SICHERHEITSSY-STEME. Hadley spähte über den Rand und musterte sie.
    Entschlossen blies sie die Luft durch die Nase und stand auf, wobei sie eine Lawine von kleinen Flaschen mit Fluggesellschafts-Etiketten auslöste.
    »Kenne ich dich nicht irgendwoher?« Hadley runzelte die Stirn. »Falls du Wirklichkeit bist, heißt das.«
    »Was machst du hier, Hadley Morton?«
    Er zuckte auf unheimliche Weise die Achseln. »Wahrscheinlich so ziemlich das gleiche wie du, nehme ich an. Ich warte auf den Weltuntergang oder auf was auch immer. Hör zu, ich muß mich entschuldigen. Ich habe einiges durchgemacht. Ich kann mich nicht an deinen Namen erinnern.«
    Sie sagte ihn ihm.
    »Phantastisch!« Er hörte sich an wie ein Talkmaster. »He, du siehst großartig aus, ich meine, du bist jetzt anders gekleidet.«
    »Du nicht.« Sie legte ihren Pelz ab und überlegte, welche Verhaltensweise ER jetzt wohl von ihr erwartete. Wie konnte sie diesen ungebetenen Eindringling loswerden? Hadley setzte zu einer langatmigen Erzählung an, wie seine Maschine im Atlantik abgestürzt sei. Als er wieder zur Besinnung gekommen war, befand er sich einsam und allein in einem Rettungsboot und wurde von einer Meeresströmung viele Tage und Nächte lang zwischen den Eisbergen hindurch zu diesem Ort, wo immer der sein mochte, getrieben.
    »Hier war gestern noch ringsum Wasser.« Er machte eine umfassende Geste mit der Hand. »Die Dinge haben sich gewaltig geändert. Alles geht dem Ende entgegen, verstehst du?«
    »Was willst du damit sagen?« Die Sache mit der geheimnisvollen Strömung in Hadleys Geschichte beunruhigte sie. Hatte ER Hadley hierhergebracht? Warum? Warum?
    Hadley schob ihr ein zerknittertes Exemplar des Wall Street Journal hin. »Lies selbst. Es ist die heutige Ausgabe. Sie ist mit dem Sabre-Jet dort drüben gekommen.«
    Sie bemerkte jetzt erst, daß mehrere Flugzeugwracks zwischen den Eisbrocken herumlagen.
    »Es waren außerdem zwei reinrassige Siamkatzen darin, verdammt.« Er schüttelte den Kopf. »Es kommen viele Maschinen runter, aber du bist der erste Mensch, der mitkommt. Eine Zeitlang war ich einem ziemlichen Bombardement ausgesetzt.« Er nahm einen Schluck Chivas Regal und wischte den Flaschenhals ab. »Hast du auch Lust auf ein bißchen?«
    »Nein, danke.« Sie überflog die Berichte über Erdbeben in Südamerika ... Flutwellen, Eruptionen ... irgendeine Naturkatastrophe in Australien – an SEINER Oberfläche war es ziemlich unruhig zugegangen. Eben, nun war alles klar ... das mußte IHN natürlich aufgehalten haben. Es gab ein paar Probleme, um die ER sich kümmern mußte. Sie durfte nicht ungeduldig sein.
    Alles war in bester Ordnung. Sie ließ die Zeitung fallen und rätselte, was es mit Hadley auf sich haben könnte. Warum war er hier? Glaubte ihr gigantischer

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