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Die Sternenkrone

Die Sternenkrone

Titel: Die Sternenkrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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suchen einen großen Planeten. Der Platz hat für alle. Und viele Blumen.« Er berührte seine Halskette aus Löwenzahn, die ich für ihn geflochten hatte. Sogar auf den Jungfraueninseln gibt es Löwenzahn und Fingergras.
    »Ich wette, die Menschen, die Ihr mitgenommen habt, fallen in die Steinzeit zurück«, bemerkte ich träge. (Sie hätten von mir aus ins Paläozon zurückfallen können, wenn ich bloß hätte mitkommen dürfen.) »Vielleicht fangen sie sogar an, dieses alte Totemtier von Euch anzubeten.«
    »Wer weiß?« Plötzlich, wie unwillkürlich, bekam Waefyels Auge einen träumerischen Ausdruck.
    »Später, wenn sie sich fortentwickelt haben, können sie ja dieses alte Fruchtbarkeitssymbol anbeten. Das wäre sicher passend. Und sich dann weiter nach oben arbeiten ... Hoppla, das ist ja wirklich prima! Hier auf der Erde haben wir überhaupt keine Götter und Ihr versorgt uns mit einem vollständigen Set nach dem Motto >heute bestellen – morgen liefern    »Ich glaube schon. Ja ... was stimmt mit euch nicht? Wir wissen es nicht. Vielleicht seid Ihr giftig, tötet Götter?« Er lachte und raufte meine Haare – ich hatte damals noch schönes Haar – mit der Spitze seines Fangarms. »Nein ... Einige unserer Älteren glauben, daß Ihr die falsche Auswahl getroffen habt. Einige fehlen, und so können sie sich alle nicht weiterentwickeln. Eine >schlechte Serie< oder wie das heißt.«
    »Du hast recht. Ich frage mich nur, was wir ausgelassen haben. Hast du eine Ahnung?«
    »Nein ... vielleicht habt ihr zu viele Kriegsgötter erfunden. Nicht genügend, die sich um euch sorgen.«
    »Klingt vernünftig.« Ich war dabei einzuschlafen, inmitten der ganzen Schönheit um mich herum, den kleinen plätschernden Wellen, dem rötlichen Sand und diesem wunderbaren Freund neben mir ...
    »Wir sollten jetzt hineingehen. Fernsehen schauen. Ich trage dich.«
    »Oh, Waefyel.« (Erwartet jetzt keine Erklärungen von mir. Irgend etwas lief zwischen uns ab, etwas Körperliches. Aber nicht, was Ihr denkt.)
    In dem Hotel, in dem wir wohnten, war ein Mann. Ein seriöser älterer Herr, eine Art Gelehrter. An diesem Abend unterhielten wir uns auf der Terrasse und schauten dem Sonnenuntergang zu, der einen seltsam grünen Schein aufwies. Herrliche Unfruchtbarkeit, die da auf uns herabrieselte! Der öffentliche Aufruhr darüber hatte noch nicht begonnen. Dieser ältere Herr begann jedenfalls ein Gespräch über Engel. Eigenartiges Thema, dachte ich.
    »Wissen Sie, daß die Engel die unterste Stufe der göttlichen Hierarchie darstellten?« fragte er mich. »Wenn irgend etwas erledigt werden mußte, ein Flammenschwert zu schwingen, jemanden zu warnen oder eine Nachricht zu überbringen, ja, vor allem Nachrichten zu überbringen, riefen sie einen Engel herbei. Sie waren Arbeitspferde und Boten.«
    »Stimmt«, erwiderte Waefyel unvorsichtig. Ich wunderte mich, wieso alte Mythen über Engel für ihn interessant waren, und dachte, er wollte vielleicht nur seine Sprachkenntnisse anwenden. Das tat er nämlich gern.
    »Laufburschen«, sagte ich. »Die Laufburschen der Götter. Wie werden Engel eigentlich geboren? Was ist mit diesen Kerlchen, den Cherubim? Sind das kleine Engel?«
    »Nein«, sagte der Mann. »Die Verbindung von Cherubim und Kindern ist willkürlich. Ich frage mich auch, wie Engel geboren werden. Ich habe noch nie von einem Engel gehört, der Vater und Mutter hat.«
    »Aus Energie in der Luft«, warf Waefyel unerwartet ein. »Elementarteilchen.«
    »Energie? In der Luft?« fragte ich.
    »Du hast es doch selbst gesehen. Wenn ein Gott sich auflöst – puff! –, schwebt eine große Wolke herum. Elementarteilchen«, wiederholte er. Plötzlich runzelte er die Stirn, als wäre er über sich selbst verärgert, und verstummte.
    Am nächsten Tag mußten wir zurückfliegen. Es war der dreiundzwanzigste August. Danach kam der vierundzwanzigste. Und selbst Ihr wißt ja sicher noch alle, was da geschah.
    Sie verließen uns.
    Erwartet auch nicht, daß ich darüber spreche.
    Wie ich dastand, die Augen nach oben auf einen immer weiter entschwindenden Punkt gerichtet, der zum letzen Mal von der Sonne reflektiert wurde ... Ich und ein paar Millionen anderer Menschen. Nein, es müssen viel mehr gewesen sein, die dastanden und herzerreißend weinten, während sie in den

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