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Die Sternenkrone

Die Sternenkrone

Titel: Die Sternenkrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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es ein bißchen schwierig war, den Herrn der Finsternis von der Notwendigkeit eines Belastungstests zu überzeugen – mehrere zuschauende Dämonen wurden dabei aus Versehen eingeäschert –, klappte doch schließlich alles bestens, und der Arzt konnte seinen berühmten Patienten bald als fit für einen ausgedehnten Flug nach oben einstufen.
    »Euer Atemwegsund Gefäßsystem ist gesund wie das eines jungen Tigers«, sagte er. »Aber das ist natürlich keine Garantie gegen die Auswirkungen eines ... äh... seelischen Schocks. Stress übernatürlichen Ursprungs ... äh ... wie ...«
    »Kümmere dich um die Flügel und überlaß mir das Fliegen«, erwiderte Satan und schickte alle wieder zurück zu ihren jeweiligen Folterstätten. Da er merkte, daß ein paar seiner höherrangigen Untergebenen zu unangebrachter Heiterkeit zu neigen schienen, erteilte er ihnen eine kurze, aber beißend scharfe Lektion darüber, wie töricht es ist, in der Hölle Ambitionen zu haben. Dann strebte er mit langem Schritt seinem Turm zu, um abzufliegen. Die kleinen Kobolde, die er beauftragt hatte, für einen Imbiß zu sorgen, hetzten mit dem Gepäck hinter ihm her.
    Beruhigt und gut mit Proviant versorgt, schwang sich Luzifer auf seinen großen schwarzen Flügeln in die Lüfte und ließ sich bald von den mächtigen Aufwinden der Hölle höher und höher über seine Domäne treiben. Nur er allein wußte, welcher der winzigen, weniger dunklen Flecken hoch oben das Versprechen wahren Lichts enthielt.
    Als der Rauch sich unter ihm verdichtete und der Himmel um ihn herum sich langsam in einem sanften Glühen erhellte, fand Satan sich in einer Sphäre wieder, die weder ein Oben noch ein Unten zu haben schien und wo nichts seinen Weg markierte. Die Aufwinde verebbten. Es war irritierend, aber seine Instinkte leiteten ihn richtig, und er wußte, daß er bald auftauchen würde.
    Doch als seine mächtigen Flügel ihn noch höher trugen, konnte er nicht umhin, sich beunruhigt zu fragen, wie er wohl empfangen werden würde und ob dort oben alles wirklich so war, wie er annahm. Er war sich sicher, daß Gott gestorben oder zumindest invalide geworden war. Wäre er doch bloß imstande gewesen, Hand – oder besser gesagt: Klaue – an den verstörten Boten zu legen! Das arme himmlische Geschöpf war so entsetzt gewesen, daß es gerade noch hilflos quieken konnte, als es gefangen wurde, und der Teufel selbst so überrascht, daß er sich, anstatt den Boten den entsprechenden Foltern zu unterwerfen, die mit Sicherheit die Wahrheit aus ihm herausgepreßt hätten, damit begnügt hatte, ihm eine Klaue voll Flügelfedern auszureißen, bevor er ihn, der immer noch vergebens nach göttlicher Hilfe schrie, freiließ. Das folgenlose Geplärre überzeugte Satan ziemlich von der Wahrheit der Botschaft, denn wenn sein Opponent noch am Leben gewesen wäre, hätte selbst ein fehlgeschlagener Angriff auf einen Seiner Untergebenen ein Feuerwerk göttlicher Entrüstung hervorgerufen.
    Doch was ging dort oben außerdem noch vor?
    Früher schon waren unbegreifliche Dinge geschehen. Man brauchte sich nur einmal die Sache mit dem Sohn und seinem Schicksal anzuschauen. Ohne seinen Flügelschlag zu vermindern, schüttelte Satan den Kopf. Die Metaphysik dieser Geschichte war für sein pragmatisches Denken zu hoch gewesen. Der Vater eines von einer Jungfrau geborenen Sohnes? Die Kreuzigung als Triumph? Und das ganze Tamtam um die Auferstehung – noli me tangere, Ihr seht mich, Ihr seht mich nicht ... Es konnte doch nur eines geben, entweder auferstanden oder nicht. Jedenfalls sah Satan das so.
    Er respektierte diesen Menschen Jesus als einen aufrichtigen Fanatiker, hatte er doch selbst den anstrengenden, ehrlich gemeinten Versuch unternommen, ihn von seinem Glauben abzubringen. Doch der Rest war entschieden zu starker Tobak. Für Satan hörte es sich verdammt nach den Hilfsmitteln an, mit denen Greise ihre Impotenz zu vertuschen suchen. War dort oben wieder etwas in dieser Richtung im Gange? Würde er bei seiner Ankunft auf irgendeine überkandidelte Reinkarnation treffen, die sich vielleicht mit einer anderswo geborgten Gottheit verbrüdert hatte? Dieser Bursche Wischnu zum Beispiel war immer noch recht umtriebig. Wie rasch konnte sich Allwissenheit in Verblödung oder völlige Senilität verwandeln! Hoffentlich hatte er nicht die ganze Anstrengung auf sich genommen, um sich irgendeinen metaphysischen Prahlhans anzuhören.
    Doch plötzlich klärte sich der Himmel auf, und Satan

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