Die Sternenkrone
umdrehten, um wieder hineinzugehen, hörte man Rafael murmeln: »Zum Beispiel diese Muslime, die an meinen preisgekrönten Azaleen herumpfuschen wollen ... Hoffentlich sind die Drachen wenigstens vorsichtig.«
»Bestimmt. Ich bin mir ganz sicher«, erwiderte Petrus.
Luzifers mächtiger Sprung trug ihn in einen Teil des Himmels, wo nur ein paar Wölkchen schwebten. Er fühlte sich ausgesprochen fit, und bei der Erinnerung daran, daß es die ganze Heimreise nur abwärts ging, entschied er, daß es eine gute Idee wäre, zum Abschied noch ein Stückchen höher hinaufzufliegen, um einmal den ganzen Himmel unter sich zu sehen. Seinen Himmel, dachte er, als er hochschwebte. War er verrückt geworden, ihnen allen Zuflucht in seinem Reich zu gewähren? Natürlich würde das Probleme nach sich ziehen, keine Frage ... Doch es waren so merkwürdige Zeiten angebrochen, daß er kaum wagte, seinen eigenen Motiven zu trauen. Bestimmt jedoch würde irgend etwas Böses aus der Sache erwachsen. Für Unheil hatte er immer noch einen guten Riecher.
»Wenn du sie nicht besiegen oder dich mit ihnen verbünden kannst – überleb sie einfach!« Er lachte auf seine alte, garstige Weise in sich hinein, wobei er einen kleinen Regenbogen zum Schmelzen brachte, der ihm zu nahe gekommen war.
Er stieg höher und höher, bis er eine solide aussehende amboßartige Wolke erspähte, sich steil hinaufschraubte und auf ihrem Rand niederließ.
Was für ein Ausblick! Das strahlendgoldene Glitzern der Durchgänge, der juwelenfunkelnde Park, die verschwenderische Fülle prachtvoller Residenzen aller Art in den Wohnvierteln!
Er verlor sich einen Moment lang in dem schieren Zauber der Betrachtung. Dann begann er seine früheren Berechnungen noch einmal zu überschlagen, um sicher zu sein, daß alles angemessen untergebracht werden konnte und daß genügend Raum vorhanden war, es gut in Szene zu setzen. Natürlich mußte er Wächter am Portal postieren – Petrus hatte ihm erzählt, daß es in Kriegszeiten oder nach Naturkatastrophen ziemliche Warteschlangen gab ... Die Vorstellung, wie der arme alte Petrus mit einem Computer hantierte, war so komisch, daß sie ihn ablenkte. Nichtsdestoweniger war es eine Warnung auch für ihn, falls er selbst jemals in Versuchung geraten sollte, automatisieren zu wollen.
Satan gelangte zu dem Ergebnis, daß Platz im Überfluß vorhanden war. Das verdankte er diesem Mathematikheini, der damals die zu erwartenden Geburtenraten berechnet und ihm vorgelegt hatte. Aufgrund dieser Zahlen hatte er den Bezirk der Babyannahme gestaltet ... Vielleicht sollte er dem Burschen einen Becher Wasser schicken, egal, was seine Mitarbeiter darüber dachten. Sie würden bald merken, daß der Ausflug in den Himmel ihn keinesfalls verweichlicht hatte!
»Was machst du hier in meiner Kinderstube?«
Die klare feine Stimme hinter ihm erschreckte ihn so, daß er seine Schwingen ausbreiten mußte, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, als er sich umdrehte.
Ein nacktes Mädchen starrte ihn an, aber ohne große Neugierde, wie Satan bemerkte. Und die kalte Heiterkeit seines Lächelns, der eisige Frost in seinen lichtgrauen Augen, sagten ihm, daß er hier etwas anderes als einen einfachen himmlischen Geist vor sich hatte.
»Du mußt lauter sprechen«, sagte das Kind, obwohl er gar nichts gesagt hatte. »Ich bin fast taub ... Du bist einer meiner alten Träume, stimmt's? Haben sie dir schon gesagt, daß du fortziehen mußt? Hier wird nämlich alles bald mir gehören. Sobald ich völlig taub bin - unter anderem.«
»Verzeihung! Ich hatte nicht die Absicht, hier einzudringen«, schrie Luzifer so laut, daß die Wolke beängstigend zu vibrieren begann. »Dies hier ist also dein Kinderzimmer?«
»Ja. Aber ich wachse jetzt ziemlich schnell. Stimmt's, Mutter?« Das Mädchen wandte sich zu einer Gestalt um, die so regungslos und tief verschleiert dastand, daß Satan sie bis jetzt für eine Wolkenspitze gehalten hatte.
»Ja, mein Kind. Und ich sagte dir, daß du taub werden mußt, aber es müssen auch noch ein paar andere Dinge geschehen, bevor du so weit bist.«
Das Mädchen musterte Satan prüfend. »Ich kenne dich«, sagte es. »Und ich weiß auch, was aus dir werden wird. Du bist Murphy!«
Es war lange her, daß jemand den Herrn der Hölle so unbekümmert angesprochen hatte. Aber Satan war sicher, daß er keine überirdische Unschuld vor sich hatte, die ihn neckte. Vielleicht eine neue Art Dämon? Sowas wie diese Kali? Er schauderte leicht,
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