Die Sternenkrone
Schwimmen vergißt.
Als Amoretta von der Tragödie erfährt, ist sie außer sich vor Trauer, denn sie liebte ihre Eltern sehr, genauso wie die ganze Einwohnerschaft von Ecologia Bella; selbst ihr Brüderchen Treuherz, noch nicht den Windeln entwachsen, beginnt zu schluchzen.
In einem Anfall tränenreicher Rachsucht entscheidet der Aufseher über die königlichen Besitzungen, daß sich solch ein Vorfall nie wieder wiederholen darf; er lädt daher alle männlichen Schwäne auf einen Wagen und fährt sie zum Tierarzt. Von welchem sie mit Sopranstimmen zurückkehren. Das einzige noch intakte Schwanenmännchen schließt der Aufseher in einen goldenen Käfig ein, und zwar so, daß die Weibchen hineinkönnen, das Männchen jedoch nicht hinaus kann.
Die Frau des Aufsehers meint, das sei grausam, weil Schwäne doch üblicherweise in lebenslanger Einehe leben. Nach einem gewissen Beobachtungszeitraummuß sie jedoch zugeben, daß die Damen, so lange ihnen regelmäßige Besuche im goldenen Käfig gestattet werden, vollauf zufrieden scheinen mit ihren Sopranehemännern. Und sie ziehen ihre Jungen ohne die üblichen Territorialkämpfe auf.
Nach angemessener Zeit erfahren auch die Herrscher von Pluvio-Acida – selbstverständlich das reichste Paar des Landes – vom Dahinscheiden Königin Rhapsodias und König Uxors. Das Herrscherpaar hat zwei Söhne: Der ältere, Kronprinz Adolesco, scheint ein direkter Abkömmling eines längst vergessenen edleren Stammes der Familie zu sein. Er ist ein hübscher blauäugiger, sehr männlicher junger Mann mit einem Gesicht, das so offen ist wie der Frühling, und sein Herz (und das versetzt seine Eltern gelegentlich in Panik) ist voller hochfliegender Ideale. Man hört ihn des öfteren ganz unglaublich heftige Kritik üben an dem Land, das er einmal regieren soll, und man hört dabei auch seine Andeutungen, daß eines Tages die Zeit reif sein könnte für gewisse Veränderungen. Möglicherweise fallen aus diesem Grund jedesmal, wenn Adolescos Vater Schnupfen hat, die Notierungen an der pluvioacidanischen Börse um fünfzehn Punkte.
Der jüngere Bruder, Prinz Slimoldi, ist aus ganz anderem Holz geschnitzt; gedrungen und schwammig, mit einem Gesicht wie ein Frettchen und einem dazu passenden geistigen Potential, stellt er in den Augen eines jeden Pluvio-Acidaners das Idealbild des jungen Mannes schlechthin dar. Er gilt mithin als der bessere der beiden Brüder. Was in dieser Angelegenheit zu unternehmen bleibt, bleibt jedoch weitgehend unklar, denn der ältere Bruder scheint wie durch einen Zauber unverwundbar zu sein, und keiner der halbherzigen Versuche, die Thronfolge zugunsten des jüngeren zu beeinflussen, ist von Erfolg gekrönt: Das Pferd des älteren erblickt jeden Fallstrick beizeiten und überspringt ihn einfach; die zyankaligewürzte Suppe schenkt Prinz Adolesco einem Bettler; und der gedungene Scharfschütze hat eine schlechte Woche.
Als unsere Geschichte beginnt, finden wir den Kronprinzen in Reiselaune. Zwei Punkte sind es, die ihm Lust machen auf einen Abstecher nach Ecologia-Bella.
Zum einen ist ihm der ständig anwachsende Durchzugsverkehr königlicher Junggesellen in dieser Richtung nicht verborgen geblieben. Die Nachricht von einer schönen jungfräulichen Erbin eines attraktiven Thrones verbreitet sich nämlich in Windeseile. Königinwitwen eskortieren ihren noch etwas unreifen männlichen Nachwuchs durch Pluvio-Acida in Richtung Ecologia-Bella. Schon leicht tattrige Herren des Hochadels schnallen die Korsetts enger und machen sich auf den Weg in eine potentielle Ehe. In dem Gedränge bemerkt Adolesco auch etliche anscheinend bestens geeignete Kandidaten: den kühnen jungen König eines reichen, wenngleich eisigen Landes im Norden; den gutgewachsenen Erben eines tropischen Paradieses im Süden und den freundlich verbindlichen, väterlich wirkenden Monarchen eines Reiches im Osten, der es versteht, seinem Harem selbst westlichen Ohren als begehrenswerte Bleibe erscheinen zu lassen ... Adolesco runzelt die Stirn, während er sein bestes Reisepferd striegelt, einen großen schneeweißen Wallach. Was haben diese Freier an sich, das er nicht besitzt? Wie können sie es wagen, jemandem den Hof zu machen, der seine – seine! – eigene Nachbarin ist?
Die zweite treibende Kraft ist elterlichen Ursprungs. Unser junger Prinz hat das Alter erreicht, da der Druck von Elternseite zunimmt. Holographien von atemberaubend schönen Prinzessinnen erscheinen auf mysteriöse Weise auf
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