Die Sternenkrone
Früher war er für seine Geduld und gute Laune bekannt gewesen. Was war mit ihm geschehen? Lag das alles an den Drogen? Oder daran, daß er sie jetzt nicht mehr bekam? Nun hatte er überhaupt keinen Hunger mehr, nachdem das Tablett vor ihm stand. Es war ihm sogar richtigschlecht. Und er zitterte und schwitzte.
»Schwester, mir geht es ziemlich schlecht. Es hieß, Sie hätten etwas, das hilft. Irgend etwas so ähnlich wie Baktin, glaube ich.«
»Slobactin. Ja, Sie werden es im Rahmen Ihrer normalen Medikation bekommen.«
»Und ich habe vergessen, dem Doktor zu sagen, daß ich Magengeschwüre habe. Sie machen mir jetzt wieder zu schaffen. Kann ich ein säurehemmendes Mittel bekommen?«
Sie notierte etwas auf ihrem Klemmblock. »Ich werde es dem Doktor sagen, sobald er seine Runde gemacht hat.«
Sie glättete sein Bettzeug. Als sie das Laken zurechtstrich, runzelte sie plötzlich mißbilligend die Stirn, sagte jedoch nichts mehr, bis sie ging.
Er vergaß sein Mittagessen und sank in einen schweißnassen Schlaf, aus dem er durch eine Männerstimme geweckt wurde, die sagte: »Rollen Sie hier herüber!«
»Hm?«
Es war einer der beiden kräftigen Pfleger. Er ließ etwas in das Bett fallen, etwas Schweres, das sich gleichzeitig kalt und warm anfühlte.
»Rollen Sie sich an die Kante, damit ich das hier ausbreiten kann.«
Erschöpft gehorchte er und erkannte schließlich, daß der Mann eine Gummiunterlage zwischen die Matratze und das Leintuch schob. Als er sich zurückrollte, fühlte sich das Bett feuchtkalt an und drückte hart gegen seine Wunden.
Als der Mann gegangen war, bekam Don Angst. Bedeutete diese Vorsichtsmaßnahme, daß es ihm auf widerliche Art schlecht werden würde, ohne daß er es beherrschen konnte? Wirklich, ihm war jetzt schon ziemlich schwindelig. Und verdammt, es gab kein Behältnis, in das er sich hätte übergeben können, außer dem unberührten Tablett mit dem dünnen, weichen Plastikgeschirr. Der Pfleger hatte es ihm wieder aufs Bett gestellt. Er hoffte, daß es nicht soweit kommen würde, und versuchte, tief durchzuatmen, wobei seine Rippen schmerzten.
Als das nächstemal jemand den Kopf zur Tür hereinsteckte, bat er um eine Brechschale und darum, daß das Tablett weggenommen würde. Es war die kleine Miss Plastik. Sie sah das unberührte Essen stirnrunzelnd an.
»Es fängt an, was, Soldat? Bei Ihnen geht es langsam – Sie müssen das Zeug lange Zeit genommen haben.«
»Ein Jahr lang.«
»O je, o je, Soldat, wie konnten Sie das Ihrem Körper nur antun?«
Wie hätte er ihr das erklären können, vorausgesetzt, daß es sie wirklich interessierte? Statt dessen stellte er ihr eine Frage.
»Schwester, haben Sie jemals ein Magengeschwür gehabt?«
Sie lachte. Dann hob sie keck das Kinn und sagte: »Ich habe in meinem ganzen Leben noch keinen einzigen Tag krank gefeiert.« Was sie damit sagen wollte, war eindeutig: Leute, die krank werden, sind selbstdaran schuld.
»Versuchen Sie es doch mal«, preßte er zwischenplötzlich klappernden Zähnen hervor.
»Nein danke!« Gutgelaunt ging sie hinaus und nahm das Tablett mit; die Schale vergaß sie.
Der Nachmittag war schlimm. Das Jucken fing wieder an, und er kratzte sich die Arme blutig. Miss Plastik entdeckte das Blut auf dem Laken, betrachtete seine Fingernägel und schnalzte mit der Zunge. »Marie war wohl noch nicht hier.«
Kurz darauf kam ein Pfleger herein und brachte ein Mestizenmädchen in einem rosafarbenen Kittel mit.
»Zeit für die Maniküre.«
Das Mädchen nahm seine Finger mit überraschend festem Griff in ihre zierliche Hand, und schon schnitt sie seine Nägel – bis ganz dicht an die Fingerkuppe, wie er bemerkte. Als er dagegen protestierte, beugte sich der Mann über ihn. »Reine Routine, Kumpel.« Don fügte sich, und der Pfleger holte eine Filmillustrierte hervor und setzte sich auf den Stuhl. Das Schneiden ging schnell; Don wurde klar, daß er sich danach keine Erleichterung mehr verschaffen konnte, und versuchte, einen Finger zu retten. »Nichts da!« sagte Marie.
»Lassen Sie ihn – bitte!«
Der Pfleger ließ die Illustrierte sinken und beugte sich wieder über ihn. »Ich hab gesagt, es ist Routine. Sie macht es mit allen so. Mit jedem einzelnen ... Willst du Schwierigkeiten machen, Kumpel?«
Als er zu ihm aufsah, entschied sich Don dafür, keine machen zu wollen. Das Mädchen feilte zuletzt noch an seinen Nägeln herum, und dann zog sie zu seiner Verblüffung die Decke weg und knipste auch die Fußnägel
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