Die Sternseherin
neugieriger Gesichtsausdruck ließ sie kurz auflachen. »Schon gut, davon erzähle ich dir auch irgendwann einmal. Kieran hat mir von deinen Vorbehalten gegen Nuriyas Transformation und deiner offenen Abneigung ihm gegenüber berichtet. Er bat mich, dich zu mir zu nehmen, ohne dabei meine Identität preiszugeben, weil er fürchtete, dass du dich anderenfalls manipuliert fühlen könntest und noch weiter in dein Schneckenhaus zurückziehen würdest. Schließlich habe ich mich trotz großer Bedenken bereit erklärt, es zu versuchen. Ich bin nicht gerne unehrlich, weißt du. Aber als Heilerin weiß ich, dass es manchmal hilft, Informationen wohl dosiert weiterzugeben.
Als ich dich am Bahnhof sah, wusste ich, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Du hast sofort mein Herz erobert und ich war glücklich zu sehen, wie es dir langsam immer besser ging. Dann scharwenzelte plötzlich Julen um dich herum und machte mich anfangs ganz schön nervös. Deshalb habe ich Asher um Hilfe gebeten. Ich war überrascht, dass du so selbstverständlich mit seiner vampirischen Natur umgegangen bist, aber es hat mir gefallen.«
Estelle lachte laut auf. »Das mag daran gelegen haben, dass ich ihn für einen Elf hielt.«
»Hast du das? Oh je!«
»Es war ein ziemlicher Schock, als Asher in Dublin auftauchte und mich mit der Wahrheit über Julen konfrontierte. Danach ist so viel passiert, dass ich kaum Zeit hatte, mich deswegen zu ängstigen, und er hat auch nie versucht, mich zu beißen. Ich weiß immer noch nicht, ob er mich absichtlich getäuscht hat oder es einfach nur ein Missverständnis war. Wahrscheinlich von beidem etwas. Ich wollte so gerne glauben, dass es einen Mann gibt, der mich versteht, mit dem ich lachen kann und dessen Gedanken mich nicht andauernd überwältigen. Ihn nicht spüren zu können, war anfangs sein größtes Plus.«
»Nicht etwa doch sein Aussehen?«
Estelle schmunzelte. »Eine willkommene Dreingabe, aber nicht so überzeugend wie bei Asher. Ich glaube, ich habe nie einen schöneren Mann gesehen als ihn, und glaube mir, in der Pariser Modelagentur, bei der ich war, gab es einige ganz ansehnliche Exemplare.«
»Lass mich raten, keiner von ihnen hat dieses ›gewisse Etwas‹, das ein mächtiger Vampir mit sich bringt.« Manon fühlte einen winzigen Stich Eifersucht. Sie hätte gern einmal erlebt, was es bedeutete, von jemandem wie Asher geliebt zu werden. Sofort schämte sie sich dafür. Die junge Feentochter hatte ihr Glück verdient. »Und wie bist du hinter sein Geheimnis gekommen?«
»Er hat es mir erzählt, freiwillig. Du kannst dir vorstellen, wie ich mich gefühlt habe, als mir klarwurde, dass der harmlose Antiquar, für den ich ihn hielt, nicht nur ein erfahrener Verführer, sondern sehr wahrscheinlich der weitaus gefährlichere von beiden ist.« Sie setzte sich aufrecht hin. »Nur diese Seelenpartner-Geschichte, die er mir aufgetischt hat, kaufe ich ihm nicht ab, ich glaube, damit wollte er mich beruhigen.«
»Wie das?« Hier ist noch reichlich Beziehungsarbeit zu leisten, dachte Manon.
»Es ging alles ziemlich schnell an jenem Abend.« Estelle lachte verlegen. »Du weißt, wie das ist. Die Hormone sind einfach mit mir durchgegangen und ich hab mich anschließend ein wenig geniert, dass ich so schnell mit ihm im Bett gelandet bin. Aber er hat mich mit seinen Küssen dermaßen wild gemacht, wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir es schon vorher in einer schmutzigen Seitenstraße getrieben.« Nun war sie wieder ganz der freche Kobold, den Manon so sehr mochte. »Dieser Mann – Vampir oder was auch immer – ist zum Sterben sexy! Er braucht mich nur anzusehen und ich führe mich auf wie eine rollige Katze.«
Bevor Manon darauf antworten konnte, sah Sara herein. »Wo bleibt ihr denn? Das Essen wird kalt.«
Die Freundinnen entschuldigten sich und folgten ihr. Sara hatte eine leckere Suppe gekocht und die drei Feen unterhielten sich während des Essens über belanglose Themen. Estelle bemerkte, dass Manon Sara genau beobachtete, und schloss daraus, dass Asher sie gebeten haben musste, sich um sie zu kümmern. Er besaß offenbar wirklich ein gutes Herz. Genau wie sein Bruder Kieran, übrigens. Wer hätte gedacht, dass er ihren Aufenthalt bei Manon organisierte hatte? Sie nahm sich vor, in Zukunft netter zu ihm zu sein, auch wenn der Gedanke an seine finstere Ausstrahlung ihr immer noch Schauer über den Rücken jagte. Asher wirkte so anders, mal war er zärtlich, immer sexy und seine
Weitere Kostenlose Bücher