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Die Sternseherin

Titel: Die Sternseherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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du mich und dann erklärst du mich auch noch für verrückt! Die Leute gucken schon.« Er hatte ziemlich laut gesprochen, und tatsächlich drehten sich einige Passanten nach ihnen um und lachten. Offenbar hielten sie die Situation für unterhaltsam. Um nicht noch mehr Aufmerksamkeit zu erregen, griff sie nach seiner ausgestreckten Hand und ließ sich widerstandslos durch das altmodische Kino bis in eine mit rotem Samt ausgeschlagene Loge führen. Der Saal war nicht besonders gut besucht und in der Loge saß außer ihnen niemand. Weil der Vorfilm bereits begonnen hatte, flüsterte Julen: »Nicht so groß wie in Paris dieses Kino. Provinz eben. Ich hoffe, du bist nicht enttäuscht!« Damit beugte er sich vor und schenkte ihr ein Glas Champagner ein. Nach ihrer magischen Reise wunderte Estelle nichts mehr. »Aber es ist doppelt so luxuriös! Was bist du?«
    »Das Gleiche wie du«, raunte er in ihr Haar und Estelle hätte sich in diesem Augenblick wenigstens einen Hauch Emotionen gewünscht. Aber wenn sein Atem nicht gewesen wäre, hätte der Platz neben ihr genauso gut leer sein können. Man bekommt nie das ganze Paket, befand ihre innere Stimme. »Das Gleiche wie ich?«, fragte sie zurück und wünschte sich, er würde etwas präziser werden.
    Sein »Genau!«, war absolut nicht die erhoffte Antwort.
    Sie wartete vergeblich auf weitere Erklärungen. »Dann muss ich aber noch eine Menge lernen!«
    Er lachte leise: »Das musst du, mein Augenstern! Und jetzt still, der Film beginnt! Er soll übrigens sehr lehrreich sein.«
    Sofern sie dies bei einer Kreatur überhaupt sagen konnte, deren Emotionen noch weniger lesbar waren als ein Luftzug, schien Julen sich beim »Mittsommernachtstraum« bestens zu unterhalten.
    Estelle dagegen schaute kaum auf die Leinwand und versuchte stattdessen zu begreifen, was mit ihr geschah. Sie war keine Spur klüger, als der Abspann sich seinem Ende näherte.
    »Du siehst müde aus, ich bringe dich nach Hause.« Julen hüllte sie in seinen wohlriechenden Mantel ein und wenig später landeten beide sicher auf ihrer winzigen Dachterrasse. Estelle öffnete den Mund, um eine Erklärung für das Unmögliche zu verlangen, da legte er seinen Zeigefinger auf ihre Lippen. »Still, ich höre deine Freundin im Treppenhaus.« Er wirkte angespannt und schob sie in ihr Zimmer. »Ein andermal!«, und fort war er.
     
     
     
    V
     
    Nicht Manons Herannahen hatte Julen gespürt, sondern die Präsenz eines weitaus mächtigeren Wesens. Er verharrte dicht an die Hauswand gepresst in der Dunkelheit. Estelle schien in Sicherheit zu sein und die Bedrohung ließ allmählich nach. So, als habe der Unbekannte lediglich, und jetzt schon zum zweiten Mal, verhindern wollen, dass sie sich küssten. Warum also machte Julen nicht einfach, was er immer tat, und verschwand unbemerkt? Er war wütend. Sein Plan hatte bestens funktioniert, bis dieser verdammte Vampir wie aus dem Nichts aufgetaucht war. Der Kerl hätte mit seiner mörderischen Eifersucht Tote verschrecken können.
    Tot allerdings fühlte sich Julen absolut nicht. Die Kleine hatte ihm ganz schön eingeheizt. Vorsichtig, um nicht zu viel von sich selbst preiszugeben, lauschte er in die Nacht. Für einen Vampir war er noch jung und leider nicht talentiert genug, um Seinesgleichen wahrzunehmen, wenn diese es vorzogen, unerkannt zu bleiben. Genau deshalb brauchte er ja unbedingt Estelles Hilfe. Er hatte damals im Regen sofort erkannt, was sie war. Ein Feenkind. Ein sehr hübsches sogar, und weil diese Geschöpfe als außerordentlich leidenschaftlich galten und er schon lange keine magische Geliebte mehr gehabt hatte, war er ihr gefolgt. Nur ein magisches Wesen wie sie konnte den nicht selten rauen Sex mit einem Vampir unbeschadet überstehen. Bei seinen sterblichen Geliebten musste er sich stets zurückhalten, und momentan hatte Julen Lust auf ein ungezügeltes Abenteuer und das süße Blut der Feen. Bereitwillig war die Kleine auf sein Flirten eingegangen und er wunderte sich über ihre anschließende Schüchternheit im Pub. Dort hatte er ein viel wichtigeres Talent in ihr entdeckt. Sie besaß die unbezahlbare Fähigkeit, in den Gedanken und Gefühlen der sie umgebenden Kreaturen zu lesen wie in einem offenen Buch. Obwohl sie noch ganz am Anfang ihrer Entwicklung stand und mit ihren Kräften nicht besonders gut umgehen konnte, war es die geringe Mühe allemal wert, sie zu umgarnen. Estelle war zu schade für eine flüchtige Affäre, befand er und überlegte, wie er

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