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Die Sternseherin

Titel: Die Sternseherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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nach dem Geheimnis ewiger Jugend und Schönheit opferte er seit Jahren beträchtliche Summen, aber einer Lösung war er bisher kein Stück näher gekommen. Bis zu dem Tag im letzten Winter, an dem er erfuhr, dass die Realität seine kühnsten Fantasien bei weitem übertraf. Es begann alles mit einer Karte aus Büttenpapier. Die Einladung zum Jahrestreffen einer exklusiven Bruderschaft. Dem höflichen Schreiben war zu entnehmen, dass ihm keine weiteren Kosten entstünden und er bitte diesen Brief bereithalten sollte, um sich dem Fahrer gegenüber auszuweisen.
    Gralon hielt das Ganze für eine Verwechslung und legte die Einladung samt Begleitschreiben beiseite. Doch ein paar Tage später klingelte sein Telefon und eine ihm unbekannte Stimme sagte: »Guten Abend, Professor. Wir interessieren uns für Ihre Forschungen und möchten Ihnen ein Angebot machen.«
    Gralon wurde neugierig und der Anrufer fuhr fort: »Bitte nehmen Sie unsere Einladung an. Es soll nicht zu Ihrem Schaden sein.«
    »Wer zum Teufel sind Sie?« Aber statt einer Antwort hörte er nur das Freizeichen. Er hätte alles getan, um seine Forschungen fortsetzen zu können, eine bereits bezahlte Urlaubsreise war dafür ein vergleichsweise geringer Aufwand.
    Eine Woche später fand er auf den kommenden Tag datierte Flugtickets auf seinem Schreibtisch. Am Flughafen Roissy erwartete ihn ein livrierter Chauffeur, der, nachdem Gralon sich mithilfe der Einladung ausgewiesen hatte, die Tür zu einem Rolls-Royce öffnete. Lautlos setzte sich das Fahrzeug kurz darauf in Bewegung, selbst der Champagner stand ganz ruhig in seinem Kühler.
    Inzwischen kannte Gralon die Strecke, aber bei seiner ersten Fahrt schaute er immer wieder aus den getönten Scheiben und rätselte, wohin der Fahrer ihn bringen würde. Als sie schließlich einer geschwungenen Auffahrt folgten und der Kies unter den Reifen knirschte, traute er seinen Augen kaum. Bei genauerem Hinsehen stellte sich zwar heraus, dass die prächtige Schlossanlage innen wie außen schon bessere Tage gesehen hatte, den ersten Aufenthalt aber würde der Wissenschaftler nie vergessen. Er wurde in einen Raum geführt, dessen morbider Charme an alte Hollywoodfilme erinnerte. Hinter seinem Schreibtisch erhob sich ein hochgewachsener Mann, der über die selbstbewusste Präsenz all jener Menschen verfügte, die es gewohnt sind, Entscheidungen von großer Tragweite zu treffen. Er mochte Anfang vierzig sein und trug die lässige Kleidung eines britischen Landedelmanns, was so weit im Norden Frankreichs nicht unüblich war. Der Professor schob rasch seine missgünstigen Gedanken beiseite, doch offenbar nicht rechtzeitig genug, denn der Mundwinkel seines Gegenübers zuckte, als wisse der genau, was in seinem Gast vorging. Obwohl Gralon selbst bei einem guten Schneider arbeiten ließ, wirkte seine gedrungene Gestalt niemals auch nur annähernd so elegant wie des Mannes ihm gegenüber. Und mit einem Dreitagebart hätte er wie ein Clochard ausgesehen. Seinem Gastgeber aber verlieh der dunkle Schatten auf seinen Wangen zusammen mit der Haarsträhne, die ihm ins markante Gesicht fiel, ein verwegenes Aussehen. Amüsiert erwiderte er die Musterung mit einem eindringlichen Blick, der Gralon in Sekunden zu durchleuchten schien. Offenbar war er zufrieden mit dem, was er in seinem Gast entdeckte, und forderte ihn mit einer Handbewegung dazu auf, im dunklen Sessel vor seinem Schreibtisch Platz zu nehmen. Der Professor setzte sich. Wie erleichtert er sich fühlte, diese erste Klippe überwunden zu haben! Dabei wusste er doch nicht einmal, was man von ihm wollte.
    Die Sitzposition war nicht besonders glücklich. Er fühlte sich wie damals im Internat, als er vor den Rektor zitiert wurde, und konnte sich nicht entscheiden, ob er sich tief in das Leder zurückfallen lassen oder auf der vorderen Kante sitzen bleiben sollte, um seinem Gegenüber wenigstens halbwegs auf Augenhöhe zu begegnen. Schließlich entschied er sich für die souveränere Lösung, lehnte sich zurück und schlug ein Bein über. Allein die weißen Knöchel der ineinander verschränkten Hände verrieten seine Anspannung. Seine Finger schlichen sich zum Hemdkragen, der auf einmal unerträglich eng geworden war.
    Der Gastgeber wandte seinen Blick schließlich von dem flatternden Pulsschlag an Gralons Hals ab und erneut umspielte ein frostiges Lächeln seine Lippen, als genieße er dessen Unbehagen. »Ich freue mich, dass Sie unserer Einladung folgen konnten!«, sagte er mit einem

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