Die Sternseherin
Passwort.
Asher reichte ihm das Papier. »Estelle wird dank ihrer außergewöhnlichen Begabung eines Tages möglicherweise den Inhalt durch bloßes Berühren der Hardware erkennen können.« Er sah Julen ausdruckslos an und der junge Vengador unternahm nicht einmal den Versuch, ihn zu lesen. »Aber ich sage dir natürlich nichts Neues. Warum sonst hättest du ihre Sicherheit gefährden und sie als Spürhund missbrauchen sollen?«
»Das ist ein idiotischer Vorwurf!«
»Nicht, wenn man dein kleines Geheimnis kennt: Du besitzt zwar den unschätzbaren Vorteil, nicht spürbar zu sein. Aber leider kannst du zuweilen deine Umgebung weniger gut lesen, als es für einen Vengador gesund sein dürfte.«
»Wer hat dir diesen Unsinn erzählt?«
Asher ignorierte die Frage. »Erkläre mir bitte, warum du das Grimoire schon vor dem Mord an diesem bedauernswerten Detektiv gesucht hast. Wolltest du deine Defizite mit einem kleinen Zauberspruch ausbügeln?«
Julen ignorierte seine Frage, tippte das oberste Wort auf der Liste ein, die ihm Asher gegeben hatte, drückte die Returntaste und eine Melodie erklang, dabei erschien ein neuer Ordner. Die Verschlüsselung war aufgehoben. »Woher hast du das?«
»Ein wenig Glück ist immer dabei. Ich war ebenfalls in seinem Büro und habe gefunden, was du übersehen hast.«
Er sah ziemlich zufrieden aus, fand Julen. »Hast du ihn umgebracht?«
»Sei nicht dumm, warum sollte ich das tun?« Asher zeigte auf den Bildschirm. »Vielleicht gibt es hier einen Hinweis.«
Dem war leider nicht so, und auch sonst fanden sie in dem Ordner nicht sehr viel. Einen Bericht über den Krankheitsverlauf der alten Dame, seiner Auftraggeberin, den der Detektiv zweifellos in der Klinik gestohlen hatte und den die beiden Vampire bereits in groben Zügen aus den Erinnerungen der Patientin selbst kannten. Eine Telefonnummer und ansonsten nur Notizen zu anderen Fällen waren ihre gesamte Ausbeute. Den Hinweis, wie der Mann von dem verschollenen Grimoire erfahren hatte und in welchem Zusammenhang es mit den Entführungen stand, suchten sie vergebens.
Julen gab einen enttäuschten Laut von sich, aber dann öffnete er ein neues Fenster und tippte die Nummer auf einer Telefonbuchseite ein. Den Teilnehmer erfuhren sie zwar dadurch nicht, wohl aber den Ort, der hinter der Vorwahl steckte: Cambridge.
»Na also, das ist doch schon etwas.« Er schaltete den Computer ab.
Asher setzte sich in den einzigen Sessel und legte seine Fingerspitzen aneinander. »Sehr gut, alles Weitere erfahren wir gewiss vor Ort.«
»Wir? Bedeutet das, du willst mitkommen?«
»Der Mangel an Enthusiasmus, den du zeigst, wird nur noch durch deine Unhöflichkeit übertroffen. Haben deine Eltern dir nicht beigebracht, wie man Gäste behandelt?«
Ashers arroganter Ton trug nicht dazu bei, Julen für ihn einzunehmen. »Ich wüsste nicht, dass ich eine Einladung ausgesprochen hätte.«
»Das meine ich.« Asher hob seine Hand und Julen schluckte den Kommentar, der ihm geradezu sichtbar auf der Zunge lag, herunter. »Ich habe Kontakte in Cambridge, die uns bei der Suche nützlich sein werden.«
Er leerte sein eigenes Glas und machte keine Anstalten Asher etwas anzubieten. Stattdessen griff er zum Telefon und begann Vorbereitungen für eine Reise zum Flughafen London-Stansted zu treffen, von wo aus Cambridge schnell zu erreichen war. Während am anderen Ende jemand Verbindungen heraussuchte, die nach Sonnenuntergang starteten, hielt er die Hand über die Sprechmuschel. »Dort scheint es kein geeignetes Hotel zu geben. Bist du sicher, dass du Estelle mitnehmen willst?«
»Absolut sicher. Du hast selbst gesehen, wie sie auf deinen Vorschlag, nach Hause zurückzukehren, reagiert hat. Feen können, entgegen landläufiger Meinung, außerordentlich eigensinnig sein, und ich wette, sie würde sich auf eigene Faust auf die Suche nach dem Grimoire machen. Was willst du ihrer Familie sagen, wenn ihr etwas zustößt?«
Julen wollte gar nicht wissen, was sein Mentor mit ihm anstellen würde, sollte der Schwester seiner Seelenpartnerin etwas geschehen. »Drei Personen«, blaffte er anstelle einer Antwort in den Hörer. »Ja, ich warte!«
»Vor Ort werden wir schon eine Unterkunft finden.« Asher wirkte unangenehm selbstsicher. »Ein Auto wäre praktisch«, fügte er hinzu und: »Ich sehe euch am Flughafen.« Damit verschwand Julens ungebetener Gast und überließ es ihm, die Fee über die neuen Pläne zu informieren.
»Asher kommt mit?« Estelle zerrte
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