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Die Sternseherin

Titel: Die Sternseherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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am Reißverschluss ihrer Tasche. In ihrem Bauch krabbelten Tausende kleine Glückskäfer. Etwas beunruhigend war, dass sie keine Ahnung hatte, wie sie Julen erklären sollte, was zwischen ihr und Asher passiert war. Bei Tageslicht betrachtet erschienen die letzten Stunden noch ungeheuerlicher. Nicht nur war sie mit einem nahezu Fremden ins Bett gestiegen, nein, es musste auch noch ein blutgieriges Monster sein! Sie, die noch vor wenigen Tagen nicht einmal freiwillig mit einem Vampir gesprochen hätte, war mit dem einen Blutsauger verreist, um sich dann von einem anderen verführen zu lassen. Dass sie auf Julen hereingefallen war, konnte noch mit ihrer Arglosigkeit erklärt werden, aber mit Asher hatte sie sich sehenden Auges eingelassen, und wenn sie ehrlich war, bereute sie keine Sekunde davon. Im Gegenteil, schon beim Gedanken an ihn drängten sich Bilder auf, die sie rasch tief in ihrem Herzen verschloss. Kein Grund, Julen versehentlich auch noch einen mentalen Dokumentarfilm über ihr hemmungsloses Liebesleben zu präsentieren. Unbewusst strich Estelle mit den Fingerspitzen über ihren Hals, zog die Hand aber wie ertappt fort, als sie seinen Blick auf sich spürte. Die Haut war unverletzt, das hatte ihr nach dem Erwachen ein Blick in den Spiegel bereits verraten. Jede Berührung löste jedoch ein Begehren aus, das wie Feuer in ihren Adern brannte und von dem ihr Körper überzeugt zu sein schien, nur Asher besäße die Macht, ihr Sehnen zu befriedigen. Hatte er sie etwa gebissen? Nein, das hätte sie merken müssen! Was auch immer neben dem Offensichtlichen geschehen war, der Gedanke, ihn bald wiederzusehen, beschleunigte ihren Puls und sie wusste: Nicht nur in ihren Körper, sondern auch in ihre Seele war der charismatische Vampir – Asher, korrigierte sie sich hastig – eingedrungen und hatte seine Spuren hinterlassen. Solange es ihr gelang, zu verdrängen, was er war, schwebte sie im siebten Himmel. Vielleicht stimmte, was Nuriya behauptete, und ihre vehemente Ablehnung war tatsächlich überzogen. Sie fragte sich beklommen, ob sie am Ende aus Eifersucht eine Abneigung gegen Nuriyas Geliebten entwickelt hatte. Estelle wandte sich von Julen ab, um die verräterische Röte, die ihren Hals hinaufstieg, vor seinem prüfenden Blick zu verbergen. Außer einer leichten Gereiztheit, die sie in seinen abrupten Bewegungen zu lesen glaubte, gab es keinen sichtbaren Hinweis, dass er ahnte, wo und mit wem sie die vergangene Nacht verbracht hatte. Julens Gedanken, die er in letzter Zeit häufiger bereitwillig mit ihr geteilt hatte, blieben ihr heute verborgen. Er hatte sie ausgesperrt, einfach so. Das verhieß nichts Gutes.
    Der Flug war kurios und nichts, was Estelle so rasch vergessen würde. Sie fand sich zwischen zwei schweigsamen Vampiren wieder, die der dramatischen Charakterisierung »untot« durchaus Ehre machten. Die beiden hätten ebenso gut einem Agentenfilm entstiegen sein können. Die passende Attitüde besaßen sie allemal und die dazugehörigen Sonnenbrillen ebenfalls.
    Eine Stewardess bot das Abendessen an. Die Männer lehnten ab, doch Estelle nahm eines der kleinen Plastiktabletts entgegen, welche die Frau austeilte. Dieses Mal wagte keine Sterbliche einen Flirt, dachte sie und stocherte gelangweilt in einem weitgehend geschmacksfreien Salat herum. Dabei rutschte ihr das Messer vom Tablett. Asher fing es so schnell auf, dass sie nicht einmal den Hauch seiner Bewegung bemerkt hatte. Unheimlich, in einem Moment entglitt ihr das Besteck, im nächsten reichte er es ihr schon wieder herüber.
    »Danke.« Estelle spießte betont gleichgültig eine Tomate auf. »Schön zu wissen, dass du noch lebst«, sagte sie beiläufig.
    »Ich fliege nicht gern.«
    Dieses Geständnis entlockte ihr ein Lächeln und sie lehnte sich entspannt zurück. Der Vampir litt unter Flugangst. Ein warmes Gefühl breitete sich in ihrer Brust aus und sie freute sich über diese sympathische Schwäche. Warum sollte es unter den Blutsaugern nicht ebenso viele Heilige und Halunken geben wie unter den Normalsterblichen? Wieder erklangen die Worte ihrer Mutter: Vertraue ihm! Ihr Herz wünschte sich so sehr, sie würde den Mut dazu aufbringen.
    Nach der Landung, die Asher in völliger Regungslosigkeit ertragen hatte, strömten die Reisenden in einen langen Gang. Einmal wurde sie angerempelt und wäre beinahe gestolpert. Es war Julen, der sie am Ellenbogen griff und ihr Gleichgewicht wiederherstellte. Der Gang endete ganz plötzlich vor

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