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Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu

Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu

Titel: Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Rudis
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endlich die Eltern anrufen und fragen, wie es Mike geht. Die Antwort wird bestimmt positiv ausfallen, er muss ihn vorhin einfach verwechselt haben, aus der Entfernung sehen alle Soldaten gleich aus. Es war nicht Mike. Das weiß Wayne genau.
    Schon fühlt er sich besser. Er war einfach nur ein wenig müde. Heute will er keinen Menschen mehr sehen. Nur die Kleine. Wo die bloß steckt?
    Wayne wirft einen letzten Blick auf sein Handy. Keine Nachricht. Auch gut. Er entscheidet sich, zu Fuß zu gehen. Er überquert den Wenzelsplatz und schlendert durch die Altstadt bis zur Moldau. Dort bleibt er stehen, beobachtet ein junges Paar, das am gegenüberliegenden Sandufer sitzt und sich küsst. Sein Kopf dröhnt noch immer.
    Und dann stellt er sich vor, wie es wohl wäre, wenn er zurück in die Staaten ginge. Vielleicht könnte er dort eine Kanzlei eröffnen. Vielleicht hätte die Kleine Lust, mitzukommen. Zurück nach Delaware.

DIE LANGFINGEROPER
    S ie steigt am Karlsplatz zu. Mit ihr zwei Typen in verwaschenen Möchtegern-Adidas-Shorts und mit schwarz glänzender Sonnenbrille auf der Nase, die man im Kaufhaus Tesco für fünfzig Kronen bekommt. Auf dem Kopf tragen die beiden eine Baseballkappe. Wie jedes Mal nehmen sie direkt vor der mittleren Tür Platz. Inzwischen ist Petr das Prozedere vertraut. Bald wird es losgehen. Sie werden sich anschreien. Sich anrempeln. Sich mit Schimpfworten überschütten. Die anderen Fahrgäste werden fassungslos gaffen und sich derweil beklauen lassen.
    Petr greift nach dem Mikrofon und macht eine Langfingeransage, einmal auf Tschechisch und einmal auf Englisch. Laut Anweisung sollte er auch noch die Polizei verständigen, aber bis die kommt, ist es ohnehin zu spät. Vielleicht will er sie gar nicht dabeihaben. Irgendwie macht ihm der Langfingerauftritt Spaß, egal wie schräg das klingen mag. Wobei ihm natürlich die kleine Rumänin mit den braunen Locken und der weißen Schleife im Haar das größte Vergnügen bereitet, solche Schleifen hatten in grauer Vorzeit alle Mädchen in seiner Grundschule getragen.
    Er fährt los. Langsam biegt er nach rechts zur Nationalstraße ab. Bei dieser Kurve muss man besonders aufpassen. Neulich hat er beobachtet, wie an dieser Stelle der Schleppwagen einer Tram ausgeschert ist, auf der anderen Straßenseite die Verkehrsinsel wegwischte, auf die Seite kippte und zwei Leute unter sich begrub. Die es nicht überlebten. Hrouda hat es fotografiert.
    Das ramponierte Geländer an der Haltestelle ist bis heute nicht repariert worden.
    Petr wirft einen Blick in den Seitenspiegel. Die Rumänen sind ganz still, sie starren mit solcher Hingabe aus dem Fenster, dass man meinen könnte, die jungen Leute hätten ihr Leben lang keine schönere Stadt gesehen. Eine ruhige Ouvertüre. Keine schlechte Inszenierung. Sie hat was.
    Auf der Nationalstraße füllt sich die Straßenbahn mit Touristen, an der Haltestelle vor dem Café Slavia springen im letzten Moment noch zwei korpulente Deutsche in kurzer Hose und Anglerweste hinein.
    Der erste Akt spielt sich gleich auf der Kreuzung vor dem Nationaltheater ab. Die Baseballer rempeln sich an und schreien dabei. Offensichtlich haben sie ein Problem. Das Mädchen mit der Schleife sieht ihnen kurz zu, dann wirft sie einen Blick zu Petr und lächelt ihn wie jedes Mal an. Er beobachtet, wie sie einem der beiden Deutschen das Handy und die Geldbörse aus der Gesäßtasche seiner Shorts herausfischt. Dann steckt sie die Beute unauffällig in die Stofftüte, die einer der Baseballer lässig über die Schulter trägt.
    Der zweite Akt. Die Baseballer brüllen sich weiterhin an, der Deutsche greift nach seiner Hosentasche und merkt, dass ihm etwas fehlt. Er gerät in Panik. Stürzt sich auf die Baseballer, die verständnislos mit den Armen fuchteln. Finale. Der Applaus fällt allerdings aus.
    Die Baseballer und die beiden Deutschen steigen an Újezd aus, das Mädchen bleibt. Wie jedes Mal nimmt sie gleich an der Tür Platz. Vielleicht fährt sie diesmal bis zur Endhaltestelle mit. Petr würde sie dann auf eine Zigarette einladen. Malmö knurrt. Klar, Petr kennt das Spiel inzwischen gut. Spätestens in Pohořelec wird sie herausspringen, ihm zum Abschied winken und in die Zweiundzwanzig umsteigen, die aus der Gegenrichtung kommt.
    Auf dem Kleinstädter Ring steigen zwei Kontrollettis ein. Petr bemerkt sie gar nicht, die Rumänin offensichtlich auch nicht. Die Straßenbahn tuckert in die eingleisige Unterführung und die Kontrollettis fangen mit

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