Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu
Monaten. Ich will nicht mehr warten. Habe genug gewartet.«
»Das verstehe ich …«
»Die Entscheidung ist richtig, das weiß ich genau.«
»Natürlich …«
»Ich weiß, es sind echte Puppenhäuser, aber immer noch besser als Untermiete. Hast du ’ne Ahnung, wie oft ich in meinem Leben umgezogen bin?«
»Fünfmal.«
»Woher weißt du das?«
»Bis jetzt hab ich bei jedem deiner Umzüge geholfen.«
»Stimmt … Tschuldige.«
»Und das werde ich auch diesmal tun. Falls du magst.«
Milena lächelt Hana an. Dabei taucht eine kleine feine Falte unter ihrer Nase auf. Wie ein feiner, hübscher Damenbart.
Sie bestellen. Hana nimmt ein rotes Gemüsecurry und eine Weißweinschorle, Milena entscheidet sich für ein stilles Wasser, eine Kokosmilchsuppe und Milchreis mit Mango. Sie war schon immer auf Süßes aus, erinnert sich Hana. Jeden Sonntag Abend hat sie sich auf dem Bahnsteig Windbeutel mit Sahne gekauft und sie in einem solchen Affenzahn verputzt, dass der Zug es noch nicht einmal auf den Bergsattel über der Stadt hinaufgeschafft hatte, von dem er dann gemächlich in den böhmischen Kessel hinunterrutschte. Aber dick ist Milena nie gewesen.
»Trinkst du heute keinen Wein?«
»Nein. Irgendwie keinen Appetit … Und du? Wo hast du schon wieder Europa geflickt?«
»In Lissabon.«
»Gut gelaufen?«
»Alle Teile zusammen. Alles perfekt. Die Zukunft rosig.«
»In Lissabon bin ich nie gewesen. Ich bin eigentlich nie irgendwo gewesen.«
»Machst du noch …«
»Schön wär’s. Ich werde auf dem Hintern hocken und ein langweiliges tschechisches Leben mit einem Orgasmus pro Woche führen.«
»Unter Umständen gar nicht so übel.«
»Ein Orgasmus pro Woche?«
»Das ist natürlich nicht besonders viel, aber wenn du den richtigen Typen gefunden hast … Wenn du dir bei dem sicher bist … Ein ruhiger Familientyp. Das hast du dir doch immer gewünscht, oder?«
»Das schon. Aber allzu ruhig muss es auch nicht sein.«
»Ja, zu viel Ruhe ist die Hölle.«
»Du führst doch kein ruhiges Leben, oder? Du bist ja ständig in Bewegung. Das stell ich mir ganz toll vor.«
»Du bleibst überall so kurz, als wärst du letztendlich gar nicht da gewesen. Ankunft, Meeting, Abflug. Lissabon war eine Ausnahme. Das war ein Meeting mit Übernachtung. Dort hatte ich Zeit.«
»Wie sieht es dort aus?«
»Herrlich. Angenehm luftig, der Wind kommt vom Meer, so was kennt man hier nicht, hier steht die Luft. Und außerdem weht der Wind alle möglichen Gerüche heran. Ich muss dir was sagen …«
»Ich dir auch.«
»Wer fängt an?«
»Du.«
Hana trinkt einen Schluck. Sie holt Luft.
»Ich habe dort mit jemandem geschlafen.«
»Aha?«
»Mit einem Typen.«
»Das habe ich mir fast gedacht. War’s gut?«
»Gut hoch drei.«
»Na dann muss es wirklich gut gewesen sein.«
»Wayne und ich werden uns trennen. Also, ich trenne mich.«
»Wegen dem Typen aus Lissabon?«
»Nein, wegen mir.«
»Ihr habt euch doch eine Wohnung gekauft, oder? Und ihr wolltet heiraten. Du wolltest das.«
»War mal.«
»Ihr seid das ideale Paar.«
»Zu ideal. Es gibt keine Bewegung. Wir treten auf der Stelle. Wir sind zusammen, aber ich fühle mich allein.«
»Das kommt wahrscheinlich immer mal vor.«
»Ich fühle mich allein, auch wenn er mich in die Arme schließt. Übrigens ist er nie gut gewesen.«
»Wirklich nicht?«
»Nur ein bisschen. Am Anfang. Ich brauch eine Veränderung. Ich will eine haben.«
»Wie stellst du dir die vor?«
»Tapetenwechsel. Anderer Ort, anderer Job. Ich bleibe ’ne Weile allein, damit ich mich wieder auf jemanden einlassen kann. Auf jemand Neuen. Und dann werde ich mir die Seele aus dem Leib ficken lassen. Mich verlieben. Ein neues Leben ohne Wenn und Aber anfangen. Verstehst du? Das will ich.«
»Ohne Wenn und Aber.«
»Genau.«
»Und Wayne?«
»Keine Ahnung. Ich empfinde im Moment nichts für ihn.«
»Ich dachte, du wüsstest schon lange, was du willst. Im Gegensatz zu mir …«
»Das habe ich auch immer gedacht.«
»Weiß er Bescheid?«
»Ich werde es ihm heute Abend sagen.«
»Bist du sicher, dass es die richtige Entscheidung ist?«
»Ich weiß es. Ich weiß es genau.«
»Warte noch ein paar Tage.«
»Geht nicht. Ich muss es gleich machen.«
Das Essen kommt. Das rote Curry ist scharf. Hana hätte es gerne noch schärfer, damit ihr die Tränen in die Augen schießen, damit ihr Schweißperlen auf der Stirn glänzen.
»Ich muss dir auch was sagen.«
»Ihr kauft euch ein Haus. Und ein
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