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Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition)

Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition)

Titel: Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clara Salaman
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hatten sich mit ihren Angelruten mittlerweile ein Stück weiter den Kai hinunter verzogen. Er warf einen Blick auf das Deck unterhalb von ihm, wo sich die ungewollte Ladung türmte: stapelweise Kartons, ein weißer Steinway-Flügel, ein riesiger, auf die Seite gekippter Eichentisch, an dessen einem Bein ein Kronleuchter baumelte, ein sorgsam zerlegtes Himmelbett – der gesamte feudale Hausstand eines türkischen Millionärs.
    Sein Rücken schmerzte, aber mit etwas Glück würden sie das ganze Zeug schnell abgeladen haben und noch vor Mitternacht zurück in Bodrum sein.
    Er wandte sich um und begab sich auf die Suche nach Clem. Irgendwo auf diesem hässlichen Ungetüm musste sie doch stecken. Er schob eine Glastür neben dem Cockpit auf und trat in den Korridor, der entlang der Steuerbordseite des Schiffes verlief. Bisher hatte er noch keinen Fuß auf das obere Deck gesetzt.
    »Clem?«, rief er.
    Überall an den Korridorwänden hingen vergrößerte Fotos einer stark geschminkten Frau mittleren Alters mit blondierten Haaren. Weder die Vergrößerung noch die kessen Posen entpuppten sich als sonderlich vorteilhaft. Ihre Glupschaugen ließen eine Schilddrüsenerkrankung erahnen, und auch die ausladenden Schulterposter schmeichelten nicht gerade ihrer Figur.
    Er blieb vor dem letzten Foto stehen, auf dem sie im Kreise ihrer Familie zu sehen war. Kein Wunder, dass Charlie jede Anweisung von Mr Schiffsmagnat unverzüglich befolgte: Der Mann hatte das Gesicht eines Boxers und die Augen eines Killers. Er war etwa doppelt so breit wie seine Frau, was einiges aussagte. An seinen Fingern, die groß wie Bananen waren und aussahen, als könnten sie mühelos jedes Lebewesen zerquetschen, prangte funkelnder Goldschmuck. Er hatte seine – perfekt manikürten – Pranken besitzergreifend auf die Schulterposter seiner Frau gelegt. Die tiefschwarzen, pomadisierten Haare saßen absolut perfekt, und sein Scheitel war so kerzengerade und Ehrfurcht gebietend wie eine antike Römerstraße. Auch seine Frau war sorgfältig frisiert und zurechtgemacht. Vor dem glücklichen Paar standen drei feiste Mädchen mit Zahnspangen, denen jetzt schon anzusehen war, dass sie eines Tages ein echtes Problem mit ihrer Gesichtsbehaarung bekommen würden.
    »Clemmie?«, rief Johnny noch einmal. Wahrscheinlich schnüffelte sie irgendwo herum, ebenso wie er. Er öffnete eine Tür zu seiner Linken und blieb abrupt stehen. Vor ihm eröffnete sich eine Art Safaripark: ein Zebrafell lag auf dem Boden – die Augen des Tiers schienen ihn anzustarren –, ein Leopardenfell war mit sorgfältiger Nachlässigkeit über einem ledernen Sofa drapiert. Rechts von ihm befand sich eine galoppierende Holzgiraffe, die von einem Grüppchen magerer Holzeingeborener mit Speeren gejagt wurde, und über dem Pseudokamin hing ein riesiges Ölbild mit einer Herde Elefanten auf ihrem langen Weg durch die afrikanische Steppe.
    Clem trat mit einem breiten Grinsen zu ihm. »Heiliger Strohsack«, stieß sie hervor und betrat den Raum, wobei die Sohlen ihrer Espadrilles leise gegen ihre Fußsohlen schnalzten. Sie strich mit der Hand über die Kunstfellkissen und bückte sich, um den Zebrakopf zu tätscheln, während sie Johnny ansah. Ihre Haut schimmerte in einem satten Goldton, und ihre braunen Augen funkelten. Die Sonne, die durch das große Backbordfenster hereinschien, ließ ihr Haar kupferfarben glänzen und verlieh ihren zerschlissenen Jeans eine Aura der Klasse und Eleganz. Sie ließ sich auf das dunkle Ledersofa fallen, das einen tiefen Seufzer ausstieß, als hätte es lange Zeit darauf gewartet, dass sich jemand auf es setzte.
    »Ich hab Durst«, sagte sie.
    Johnny öffnete sämtliche Schranktüren. Hinter einer von ihnen verbarg sich ein Kühlschrank. Er inspizierte den Inhalt und nahm zwei Dosen Cola heraus, von denen er ihr eine zuwarf. Sie riss den Verschluss auf und kippte gierig den Inhalt hinunter. Sein Blick hing an ihrer Kehle und an der dünnen Spur brauner Cola, die in den Ausschnitt ihres T-Shirts sickerte.
    »Komm, wir suchen uns ein Zimmer.« Wie immer war er scharf auf sie. Er beugte sich vor und blickte auf den Hafen hinaus, wo die Schatten des Berges das Meer zu verschlingen drohten. Von Charlie war weit und breit nichts zu sehen. Er nahm sie bei der Hand und führte sie hinaus auf den Korridor, wo sie eine Tür nach der anderen aufrissen und hineinspähten.
    »Hier!«, sagte sie und blieb vor einer Tür stehen. »Emperor Suite« stand darauf .
    Sie drehte den

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