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Die Stille zwischen den Sternen

Die Stille zwischen den Sternen

Titel: Die Stille zwischen den Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Banscherus
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nicht!«
    »Da wollte ich nicht«, schrieb ich. Ganz richtig war das zwar nicht, irgendwie konnte ich auch nicht. Aber ich hätte den halben Block voll schreiben müssen, um ihr das zu erklären.
    »Das ist mir zu kompliziert«, sagte Rieke. »Hast du einen Unfall gehabt?«
    »Sturz.«
    »Was ist passiert?«
    »Keine Erinnerung.«
    Sie starrte mich an. Mit einem grünen und einem braunen Auge.
    »Mann«, sagte sie. »Wirst du wieder sprechen können?«
    »Ja«, schrieb ich. Obwohl mir nichts als mein blödes »Mhm« geblieben ist, schrieb ich »Ja«. In diesem Moment glaubte ich fest daran.

    »Prima«, sagte sie. Sonst nichts. Keine Frage, wie lange es dauern wird, bis ich wieder sprechen kann. Kein Vorschlag, uns in den nächsten Tagen wieder zu treffen. Nur dieses »Prima«. Ein freundlicher Klaps für einen stummen Jungen.
    Sie kramte ihr Portemonnai aus dem Beutel, den sie an ihren Stuhl gehängt hatte. »Du, ich muss los«, sagte sie.
    »Schade«, schrieb ich. Und: »Ich zahle. Sehen wir uns wieder?«
    »Wenn du möchtest.«
    Mensch, das war mehr als »prima«! Das war das nächste Wunder!
    »Wann?«, schrieb ich.
    »Morgen?«
    »Wo?«
    »Im Schwimmbad.«
    Ich schüttelte heftig den Kopf. »Zu viele Leute«, schrieb ich und fügte hinzu: »Wieder hier?«
    Sie lachte. »Du stehst auf Eis, stimmt’s? Wie wär’s mit drei Uhr?«
    Ich nickte.
    Im nächsten Moment lief sie schon über die Straße.
    Ihr Pferdeschwanz winkte mir zu.

    Zu Hause wartete mein Vater auf mich. Er saß im Wohnzimmer und trank Whiskey. Das tut er sonst nie, zumindest nicht vor dem Abendessen.
    »Du siehst gut aus, mein Junge«, begrüßte er mich. »Wo warst du?«

    Geht dich nichts an.
    »Du hast Farbe gekriegt«, sagte er und zeigte auf den Platz neben sich. Ich blieb stehen.
    Sein Arm um meine Schulter oder so - darauf konnte ich verzichten.
    »Magst du einen Saft trinken?«, fragte er. »Oder einen Sprudel?«
    Ohne meine Reaktion abzuwarten, sagte er: »Ich habe heute im Büro einen komischen Anruf bekommen. ›Sagen Sie Ihrem Sohn, er soll seinen Mund halten‹, hat jemand geflüstert und sofort aufgelegt.«
    Mit einem Schlag war meine gute Stimmung futsch, unter meiner Kopfhaut begann es zu kribbeln.
    »Hast du eine Ahnung, was das zu bedeuten hat?«, fragte mein Vater.
    Nein, ich hatte keine Ahnung. Aber irgendwas ist gegen mich im Gange, Doc.
    »Hat es vielleicht mit der Nacht zu tun, in der du verunglückt bist?«, fragte mein Vater weiter.
    Natürlich hatte es mit der Nacht zu tun. Ich soll den Mund halten. Also muss ich etwas gesehen haben, was ich nicht sehen durfte.
    »Kannst du dich wirklich nicht erinnern, was passiert ist? Verschweigst du uns was?«
    Verschweigen - das war ein selten guter Witz. Im Augenblick verschweige ich meinen Eltern so ziemlich alles. Notgedrungen.
    »Na, es wird sich schon irgendwie aufklären«, sagte mein Vater und goss sich ein neues Glas Whiskey ein. »Wir sind hier ja nicht in Chicago!«

    Ich holte meinen Schreibblock aus der Hosentasche und schrieb: »Hast du Angst?«
    Für einen Moment schnappte mein Vater nach Luft. Dann lachte er, viel zu laut, wie ich fand. »Angst?«, rief er. »Ich? Unsinn. Und jetzt hole ich dir was zu trinken, Jonas.«
    Natürlich hat mein Vater Angst, Doktor. Er macht sich fast in die Hose. Jeder hätte nach so einem Anruf Angst, Sie bestimmt auch. Ich jedenfalls habe eine Scheißangst.
    So, das war’s für heute. Ich stecke das Buch gleich in einen Umschlag und bringe es Ihnen ins Krankenhaus. Sie haben doch bestimmt irgendwo ein Postfach. Wenn Sie alles gelesen haben, hinterlegen Sie das Buch am besten beim Pförtner. Ich hole es dort wieder ab. Lesen Sie, Doktor. Und bitte: Ich brauche das Buch schnell zurück.

    Herzliche Grüße
    Ihr Jonas

    Lieber Jonas, die Uhr im Stationszimmer zeigt Viertel vor sechs. Bald ist mein Nachtdienst zu Ende. Gerade ist es noch einmal hektisch zugegangen. Zwei Männer mit Schlaganfällen sind eingeliefert worden, eine Frau mit einer Platzwunde und ein Jugendlicher im Vollrausch brauchten unsere Hilfe. Doch in den Stunden davor war es ruhig, und ich hatte Zeit, unser Buch zu lesen.
    Ich mache mir Sorgen um dich, Jonas. Du erholst
dich nicht. Das solltest du aber. Unbedingt! Mit einer schweren Gehirnerschütterung, wie du sie gehabt hast, ist nicht zu spaßen.
    Aber jetzt die gute Nachricht: Du wirst wieder sprechen können. Das hat mir unsere Logopädin versichert. Du hast keine Probleme beim Sprachverständnis, schreibst Seite um

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