Die stillen Wasser des Todes - Roman
Beförderung brachte Vor- und Nachteile mit sich. Einerseits bedeutete sie das Ende ihrer dienstlichen Partnerschaft, andererseits waren sie nun nicht mehr gezwungen, ihre private Beziehung geheim zu halten.
Dennoch hatte Gemma weiterhin ernste Bedenken gegen eine feste Bindung gehegt. Beide hatten eine gescheiterte Ehe hinter sich; beide hatten Söhne, die schon mehr als genug unter Veränderungen undVerlusten gelitten hatten. Und Gemma hatte sich bisweilen geradezu verbissen dem Verlust ihrer Eigenständigkeit – wie sie es empfand – widersetzt.
Aber Duncan hatte Geduld bewiesen, und mit der Zeit hatte Gemma erkannt, dass die Bewahrung ihres gemeinsamen Glücks jedes Risiko wert war.
Und so hatten sie zunächst an einem herrlichen Tag im vergangenen August im Garten ihres Hauses im Londoner Stadtteil Notting Hill eine weltliche Segenszeremonie abgehalten. Wenige Wochen darauf hatten sie dann auf dem Standesamt von Chelsea ihre Verbindung offiziell gemacht.
Und jetzt, während der Schulferien Ende Oktober, hatten Winnie und Jack Duncan und Gemma samt ihren Familien nach Compton Grenville eingeladen, damit Winnie sie kirchlich trauen konnte – in einem feierlichen Rahmen, den ihre Ehe nach Winnies Meinung verdient hatte.
Die Zeremonie in Winnies Kirche am Samstagnachmittag war genau so gewesen, wie Gemma sie sich gewünscht hatte: schlicht, persönlich und innig; und sie hatte ihre Verbindung noch einmal auf ganz andere Weise feierlich besiegelt. Aller guten Dinge sind drei, wie Duncan ihr immer wieder versicherte. Und vielleicht hatte er recht, denn inzwischen hatte das Schicksal ein weiteres Kind in ihr Leben treten lassen – die kleine, noch nicht ganz drei Jahre alte Charlotte Malik.
Winnie wandte sich von dem Berg schmutzigen Geschirrs ab, den Hinterlassenschaften des üppigen Abschiedsfrühstücks, das sie für ihre Wochenendgäste bereitet hatte. »Ein Horrorfilm? Was?« Mit dem Schaumklecks, den sie sich irgendwie auf die Nasenspitze praktiziert hatte, und ihren fragend aufgerissenen Augen bot sie einen komischen Anblick.
Die in Grün und Tomatenrot gehaltene Küche war ein behaglicher Zufluchtsort, und Winnie war eine gute Freundin, die Gemma schon in schwierigen Zeiten zur Seite gestanden hatte.
An diesem Dienstagmorgen, kurz vor dem Ende des Besuchs, nachdem bis auf Duncans Eltern alle schon abgereist waren, hatten Gemma und Winnie sich endlich ein paar ungestörte Momente sichern können, in denen sie das Wochenende Revue passieren lassen konnten. Gemma hatte sich erboten, den Abwasch zu übernehmen, doch Winnie hatte darauf bestanden, dass Gemma die letzten paar Minuten mit Winnies und Jacks neugeborener Tochter genießen sollte.
Gemma bettete die kleine Constance etwas bequemer auf ihrem Schoß. »Na ja, ›Horrorfilm‹ ist vielleicht ein bisschen heftig«, verbesserte sie sich lächelnd. Doch ihre Ausgelassenheit verflog, als sie an den Wermutstropfen in einem ansonsten perfekten Wochenende zurückdachte. »Manchmal«, sagte sie, »kann meine Schwester ein richtiges Aas sein.«
Winnie streifte ihre Gummihandschuhe ab, setzte sich zu Gemma an den Tisch und griff nach Constance. »Komm, musst ja nicht gleich das Baby stellvertretend für sie erdrücken.«
»Tut mir leid«, erwiderte Gemma verlegen. Sie gab Constance einen Kuss auf das flaumige Köpfchen, bevor sie sie ihrer Mutter übergab. »Sie bringt mich einfach immer wieder auf die Palme. Ich meine Cyn, nicht Constance.«
»Nun ja, ich kann verstehen, dass Cyn sich an diesem Wochenende ein bisschen unbehaglich gefühlt hat. Sie und deine Eltern waren diejenigen, die irgendwie nicht richtig dazugehören –«
»Unbehaglich?« Gemma schüttelte den Kopf. »Du bist zu diplomatisch. Das ist eine sehr beschönigende Umschreibung dafür, dass sie sich wie eine richtige Xanthippe aufgeführt hat.« Ehe Winnie protestieren konnte, fuhr sie fort: »Aber es ist nicht nur das. Sie ist schon die ganze Zeit so ekelhaft, seit wir von Mutters Krankheit wissen.« Bei Gemmas und Cyns Mutter Vi war im vergangenen Frühjahr Leukämie diagnostiziert worden. »Mir ist schon klar, dass das Cyns Art ist, mit ihrer eigenen Angst umzugehen. Ich kann das verstehen, auch wenn ich sie am liebsten erwürgen würde. Aber für diese Sache mit Charlotte gibt es einfach keine Entschuldigung.«
»Was ist mit Charlotte?«, fragte Winnie, und ihr freundliches Gesicht nahm plötzlich einen besorgten Ausdruck an.
»Ich glaube, Cyn hat ihren Kindern gesagt, dass
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