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Die stillen Wasser des Todes - Roman

Die stillen Wasser des Todes - Roman

Titel: Die stillen Wasser des Todes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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warf Gemma einen forschenden Blick zu. »Hast du dir das auch wirklich gut überlegt? Es muss doch noch andere Pflegefamilien geben, bei denen sie auch vor den Nachstellungen ihrer Großmutter sicher wäre.«
    Gemma beugte sich vor und verschränkte die Arme vor der Brust, als ein plötzlicher Schauder sie überlief. »Ich kann mir nicht vorstellen, von ihr getrennt zu sein«, sagte sie voller Gewissheit. »Und ich würde sie keinem anderen Menschen anvertrauen wollen, auch wenn ich es für unwahrscheinlich halte, dass Charlottes Familie in absehbarer Zukunft irgendetwas ausrichten kann.«
    Charlottes Großmutter und ihre Onkel waren im August verhaftet worden, und wie es aussah, würden sie noch eine ganze Weile ihre Familientreffen im Gefängnis abhalten müssen.
    »Wir sind vorläufig offiziell als Pflegeeltern eingesetzt«, fuhr Gemma fort. Zögernd fügte sie hinzu: »Aber ich habe einen Antrag auf dauerhaftes Sorgerecht gestellt mit anschließender Adoption. Ich hoffe nur, dass meine Familie ihre Meinung ändern wird und dass nichts dazwischen kommt, was Duncans Elternzeit –«
    Ein lautes Krachen unterbrach sie, gefolgt von polternden Schritten in der Diele.
    »Toby, Stiefel aus!«, hörte Gemma Duncan rufen, doch es war zu spät. Ihr sechsjähriger Sohn kam zur Tür hereingeplatzt, seine roten Gummistiefel mit Schlamm bespritzt, während das blonde Haar ihm in feuchten Stacheln vom Kopf abstand. Er sah wieder einmal wie ein durchtriebenes kleines Teufelchen aus.
    Die Tür flog erneut auf, und diesmal erschien Charlotte, die brav ihre Stiefel ausgezogen hatte. Auf gestreiften Socken, noch in ihrem rosa Regenmäntelchen, rannte sie schnurstracks auf Gemma zu und kletterte auf ihren Schoß. Sie schlang die Arme um Gemmas Hals und drückte sie ganz fest wie jedes Mal, wenn sie länger als ein paar Minuten getrennt gewesen waren. Doch als sie den Kopf hob, strahlte sie übers ganze Gesicht, ihre Wangen glühten, und ihre Augen leuchteten. Gemma dachte, dass sie noch nie ein Kind gesehen hatte, das glücklicher aussah.
    »Ich bin am besten gesprungen«, verkündete Charlotte.
    »Gar nicht«, protestierte Toby. Als großer Junge, der er war, hielt er sich in allen Belangen für haushoch überlegen.
    Duncan kam in die Küche. Groß gewachsen, die Haare zerzaust, die Wangen von der Kälte gerötet wie die der Kinder, sah er genauso durchnässt aus wie Toby, wenngleich ein klein wenig sauberer. Als Gemma einen Blick aus dem Fenster warf, sah sie, dass der Regen noch heftiger niederprasselte.
    »Du bist wirklich unverbesserlich, Sportsfreund«, wandte Duncan sich streng an Toby. Er deutete auf die schmutzigen Schuhspuren auf dem Boden, riss ein paar Blätter von der Küchenrolle ab und drückte sie dem Jungen in die Hand. »Du entschuldigst dich jetzt bei Tante Winnie und wischst das auf. Und dann –« Er wandte sich zu Gemma und grinste beinahe so schelmisch wie Toby, während er seine strenge Polizistenstimme abstellte. »– hat Dad uns alle nach draußen beordert, Regen hin oder her. Er nervt mal wieder total mit seiner Geheimnistuerei, und er hat Jack und Kit in seine Pläne eingeweiht. Ich kenne doch meinen Dad – mir graut jetzt schon vor dem, was er da wieder ausgeheckt hat.« Er verdrehte die Augen, um seine Worte zu unterstreichen, und Gemma musste unwillkürlich lächeln. Sie hatte Duncans Vater vom ersten Moment an ins Herz geschlossen, doch Hugh Kincaid stand weiß Gott nicht immer mit beiden Beinen auf dem Boden der Realität.
    »Er sagt, er hätte eine Überraschung für uns«, fuhr Duncan fort. »Und er meint, wir würden ganz bestimmt und ohne jeden Zweifel hellauf begeistert sein. Wir sollten lieber rausgehen und uns anschauen, was er sich ausgedacht hat.«
    Der Regen kam in Wellen, und die Tropfen prasselten wie Schrotkugeln gegen die Fenster des umgebauten Bootsschuppens.
    Kieran Connolly biss die Zähne zusammen und versuchte das Geräusch zu ignorieren, doch das Grollen des Donners über Henley ließ ihn erschaudern. Es ist bloß Regen, sagte er sich; nichts, wovor man sich fürchten muss. Er würde es überleben, und der Schuppen hatte auch schon Schlimmeres überstanden.
    Es war einer von mehreren gleicher Bauart, die sich zwischen die Sommercottages auf den kleinen Themseinseln zwischen Henley und der Schleuse von Marsh schmiegten. Errichtet aus Holzbrettern auf einem Betonfundament, war er nicht als menschliche Behausung gedacht, was Kieran aber nicht weiter störte. Hier in diesem einen

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