Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die stillen Wasser des Todes - Roman

Die stillen Wasser des Todes - Roman

Titel: Die stillen Wasser des Todes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
Vom Netzwerk:
zubrachte. Dass ihr Anblick ihn erregte, verursachte ihm Gewissensbisse – es kam ihm vor, als ob er Becca betröge, und es war ein komisches Gefühl, Tavie plötzlich mit anderen Augen zu sehen. Aber Tavie schien es nichts auszumachen – ihm war inzwischen der Gedanke gekommen, dass sie sich ja einfach einen Bademantel hätte überziehen können, wenn sie sich vor ihm geschämt hätte. Sie hatte ihn doch wohl nicht absichtlich – nein. Er schalt sich für seine Dummheit.
    Und was Becca betraf – darüber durfte er gar nicht nachdenken. Noch nicht. Er konnte die Erinnerungen an ihren Körper neben ihm im Bett, an ihre Berührung, nicht vom Anblick ihres Gesichts dort unterhalb des Wehrs trennen. Wenn er es versuchte, krampfte sich sein Magen zusammen, und er fühlte sich verloren.
    Er schüttelte den Kopf und kippte die letzte Kehrschaufel voll Schutt in den großen Müllkübel, der in seiner Werkstatt stand. Der Kübel war wundersamerweise unversehrt geblieben. Kieran war mit seinen Aufräumarbeiten schon ein gutes Stück vorangekommen, aber es würde noch einmal einen ganzen Tag kosten, die Müllsäcke ans andere Ufer zu transportieren und zu entsorgen. Immerhin hatte er jetzt die Fenster vernagelt und konnte den Schuppen mit seinem Werkzeug darin abschließen. Aber es war schon spät, und er wollte nicht, dass Tavie sich Sorgen machte.
    Er sperrte ab und begrüßte die Hunde, die sich in eine windgeschützte Grasmulde gelegt und geduldig auf ihn gewartet hatten, während sie dem Treiben auf dem Fluss zusahen.
    Als er sich umblickte, wurde ihm klar, warum er gedacht hatte, es würde überraschend schnell dunkel. Im Westen waren schwere Wolken aufgezogen und hatten eine verfrühte Dämmerung eingeleitet. Kieran schauderte und dachte mit Schrecken daran, dass das Wetter umschlagen könnte.
    Doch zu seiner Erleichterung stellte er fest, dass sein Kopf klar war. Vielleicht würde es diesmal nicht so schlimm werden.
    Er setzte mit den Hunden über, machte das Boot fest und ging den Uferpfad entlang. Es wehte ein kühler Wind, und er schlug seinen Kragen hoch, während die Hunde wild und ausgelassen um ihn herumtollten. Als er die Mill Meadows erreichte, zog er zwei Tennisbälle aus der Anoraktasche und ließ die Hunde von der Leine, um eine kleine Runde »Fang den Ball« mit ihnen zu spielen.
    Er hatte sich nicht getraut, Tavie zu fragen, ob sie sich das mit seinem Ausschluss aus dem SAR -Team inzwischen anders überlegt hatte, und erst jetzt wurde ihm bewusst, wie sehr es ihm fehlen würde. Und Finn – Finn war wie Tosh zum Arbeiten geboren, und es wäre grausam, ihm das wegzunehmen. Das war ein Argument, mit dem er Tavie vielleicht umstimmen könnte.
    Kieran nahm die Hunde wieder an die Leine und beschleunigte seine Schritte. Er fragte sich, ob Tavie wohl wach war, und hatte es plötzlich sehr eilig, zu dem kleinen windschiefen Häuschen zurückzukehren.
    Als er die Thames Side erreichte, wo die Straße sich verengte, wechselten ein paar Passanten auf die andere Seite, um den Hunden nicht zu nahe zu kommen. Kieran fand das ziemlich amüsant – trotz ihrer beeindruckenden Größe waren Finn und Tosh zwei gutmütige Riesenbabys –, aber als er Finn noch nicht gehabt hatte, hätte er vielleicht genauso reagiert.
    Er hatte gerade die Brückenstraße überquert und war in Richtung Marktplatz abgebogen, als er Freddie Atterton aus dem Red Lion kommen sah. Gerade wollte er auf ihn zugehen, um ihm zu sagen, dass er mit dem Schuppen schon ein gutes Stück vorangekommen war, da sah er, dass Freddie nicht allein war.
    Ein zweiter Mann war mit ihm aus dem Hotel gekommen, und wie es aussah, stritten die beiden oder hatten zumindest eine hitzige Auseinandersetzung.
    Vielleicht sollte er sie lieber nicht stören, beschloss Kieran, obwohl er direkt an ihnen vorbeikommen würde. Doch irgendetwas ließ ihn noch einmal hinsehen. Was war –
    Noch ehe er den Gedanken zu Ende denken konnte, machte Finn plötzlich einen gewaltigen Satz nach vorne, riss Kieran fast die Leine aus der Hand und fing an, wie von Sinnen zu bellen und zu zerren.

23
    Ich kann immer weniger sehen. Dunkelheit hüllt mich ein, bis ich die Silhouette des Boots neben uns nur noch schemenhaft wahrnehme.
    Wir nähern uns der Ziellinie.
    Und dann – nichts. Schwärzeste Finsternis. Meine Augen sind nach oben weggedriftet. Meine Brust hebt und senkt sich, mein weit offener Mund saugt gierig Sauerstoff in die Lunge – doch ich bin völlig benommen und

Weitere Kostenlose Bücher