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Die stillen Wasser des Todes - Roman

Die stillen Wasser des Todes - Roman

Titel: Die stillen Wasser des Todes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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Herz sich unter dem Ansturm der Erinnerungen zusammen. Er war so auf sein Vorhaben konzentriert gewesen, dass er sich überhaupt nicht klargemacht hatte, was das für ein Gefühl sein würde, in Beccas Cottage zu stehen, jetzt, wo sie nicht mehr da war.
    »Was heißt, nicht mehr da? Tot«, sagte er laut, um sich Mut zu machen. Das Foto stand im Bücherregal, genau wie er es in Erinnerung hatte. Er ging quer durchs Zimmer und nahm es herunter. Dann setzte er sich behutsam auf das Sofa neben die Lampe, und Finn legte sich vor seine Füße.
    Kieran hielt das Foto mit beiden Händen, betrachtete es eingehend, studierte die Gesichter, die darauf eingefangen waren und ihn anstarrten. Er erkannte Freddie, der unglaublich jung aussah und mit einer Mischung aus Trotz und Ehrgeiz in die Kamera blickte.
    Und neben Freddie – der Mann, den er vor dem Red Lion gesehen hatte. Jünger, schlanker, die Kieferpartie nicht ganz so wuchtig, aber unverkennbar derselbe Mann.
    Und er erinnerte sich an die Geschichte, die Becca ihm erzählt hatte, an dem Abend, als sie das Foto heruntergenommen und unter ebendiese Lampe gehalten hatte. Es war im Spätsommer gewesen, nach Einbruch der Dunkelheit, und sie hatten sich geliebt, teils auf dem Sofa, teils auf dem Boden. Anschließend hatten sie sich genüsslich unter eine Decke gekuschelt und geredet – natürlich übers Rudern. Sie redeten so gut wie über nichts anderes.
    »Weißt du, wie einfach es ist, einen Ruderer vor einem Rennen zu sabotieren?«, hatte sie gefragt.
    »Ich habe schon davon gehört«, hatte er geantwortet. »Selbst erlebt habe ich es noch nie. Oder jedenfalls nicht bewusst.«
    »Ich schon.« Sie war unter der Decke hervorgeschlüpft und nackt, wie sie war, zum Bücherregal getappt, und er hatte ihren langen, muskulösen Rücken bewundert. Mit dem Foto in der Hand kam sie zum Sofa zurück und kroch wieder unter die Decke, schmiegte ihre bloße Schulter an seine.
    Sie legte den Finger auf das inzwischen wohlbekannte Gesicht auf dem Foto, und er erinnerte sich, wie er wieder einmal gedacht hatte, dass sie für eine so groß gewachsene Frau erstaunlich zarte Hände hatte – jedenfalls, solange man die Schwielen von den Rudergriffen an ihren Handinnenflächen übersah. »Dieser Typ – er ist Steuerbord gerudert – hatte es mit Mühe und Not ins zweite Boot geschafft. Aber er fand immer, dass er Besseres verdient hätte, und er war überzeugt, dass sein Platz im Blue Boat sei. Wochenlang hat er geschimpft und gejammert, bis Freddie ihm schließlich sagte, er solle den Mund halten und einfach seinen Job machen.
    Danach hat er endlich Ruhe gegeben, und ich habe nicht weiter darüber nachgedacht, bis es zu spät war.«
    »Was ist passiert?« Kieran setzte sich auf und sah sie gespannt an.
    »Normalerweise wird die Crew vor dem Rennen weitgehend isoliert, aber einen Tag vorher waren einige der Ehefrauen und Freundinnen zu einer Presseparty eingeladen. Die Jungs sollten nichts trinken, es gab nur Limo und O -Saft, und alle kehrten den sauberen Sportsmann heraus und trösteten sich mit exquisiten Canapés darüber hinweg, dass es keinen Alkohol gab.
    Aber den anderen Gästen wurden sehr wohl Drinks serviert, und als ich sah, wie er« – sie tippte auf das Foto – »sein Glas mit dem des Typen vertauschte, der auf derselben Position im Blue Boat ruderte, dachte ich, es sei nur ein dummer Streich, ein Schuss Wodka in der Limonade vielleicht.«
    In diesem Moment schaute sie zu Kieran auf, und in ihren haselnussbraunen Augen sah er den Zorn aufblitzen, der nach all den Jahren immer noch nicht verschwunden war. »Bis dann am nächsten Tag das Blue Boat an den Start ging und ich sah, dass er drin saß. Ich konnte es nicht glauben.
    Ich hatte einen Platz in einer der Barkassen bekommen, die hinterherfuhren. Es war kein Vergnügen an so einem kalten und stürmischen Tag, aber ich wollte Freddie gewinnen sehen. Es bedeutete ihm so viel, ihm und der ganzen Crew. Sie hatten so hart gearbeitet, und es waren alles meine Freunde.«
    »Was ist mit dem Typen passiert, der eigentlich im Blue Boat hätte sitzen sollen?«, fragte Kieran.
    »Es hieß, er sei plötzlich krank geworden. Vielleicht eine Lebensmittelvergiftung von den Austern auf den Canapés, die bei der Presseparty gereicht wurden. Später erfuhr ich, er sei so stark dehydratisiert gewesen, dass er ins Krankenhaus musste. Aber«, fuhr Becca fort, und ihre Stimme troff vor Sarkasmus, »was für ein unerwarteter Glücksfall für

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