Die stillen Wasser des Todes - Roman
umgesehen?
Und Ross – er musste gesehen haben, welche Richtung Kieran eingeschlagen hatte. Nachdem er sich von Freddie getrennt hatte, könnte er sich in einem Hauseingang versteckt haben, bis er sicher war, dass Freddie ihn nicht beobachtete, um Kieran dann zu folgen. Selbst wenn Kierans Vorsprung schon zu groß gewesen war und Ross nicht gesehen hatte, wie Kieran Tavies Haus betrat, hätte er dennoch die ungefähre Richtung gekannt. Und er hätte einfach warten können, in der Hoffnung, Kieran würde noch einmal auftauchen.
Im Warten war Ross Abbott gut.
Kincaids Sorge wuchs. Er zog sein Handy aus der Tasche, suchte Kierans Nummer heraus und wählte.
Es läutete zwei Mal, drei Mal, dann meldete sich eine weibliche Stimme mit einem zögerlichen »Hallo«.
»Entschuldigen Sie«, sagte Kincaid. »Ich wollte eigentlich Kieran Connolly sprechen. Ist das seine –«
»Superintendent? Ich bin’s, Tavie Larssen. Er hat sein Handy in meiner Küche liegen lassen.« Sie klang verwirrt. »Ich habe keine Ahnung, wieso –«
»Wissen Sie, wo er hingegangen ist?«
»Er hat mir eine Nachricht auf meiner Schiefertafel hinterlassen. ›Bin zum Cottage gefahren.‹ Meint er damit … ihr Cottage? Das von Rebecca Meredith? Was sollte er da jetzt noch wollen?« Tavie klang ein wenig gekränkt.
»Er hat es Ihnen nicht gesagt?«
»Nein. Aber –«
»Wie lange ist er schon weg?«
»Er war noch nicht zurück, als ich vor einer Stunde zum Einkaufen ging; er kann also erst danach losgefahren sein.«
Kincaid war es plötzlich enorm wichtig, dass Kieran nicht allein war. »Hat er Finn mitgenommen?«
»Ja, aber Tosh hat er hiergelassen. Superintendent, was ist –«
»Bleiben Sie einfach da, Mrs. Larssen. Ich kann es Ihnen im Moment nicht erklären. Und wenn Kieran zurückkommt, sagen Sie ihm, er soll mich anrufen. Sofort. Lassen Sie ihn nirgendwo hingehen, und lassen Sie niemanden ins Haus.«
Er brach die Verbindung ab, ehe sie weitere Fragen stellen konnte.
Freddie starrte ihn an, als sei er plötzlich verrückt geworden, aber Doug hatte keine Mühe gehabt, dem Gespräch zu folgen, von dem er nur eine Seite gehört hatte. »Wo?«, fragte er nur.
»Rebeccas Cottage. Freddie, haben Sie –«
Er schrak zusammen, als sein Handy klingelte. Im Glauben, es sei Kieran, nahm er das Gespräch an. »Gott sei Dank«, meldete er sich erleichtert. »Was haben Sie –«
»Duncan?«
»Gemma?«, rief er überrascht. »Du, Schatz, es tut mir leid, aber ich kann im Moment nicht re…«
»Ich muss dir unbedingt etwas sagen«, unterbrach sie ihn. »Ich hätte dich schon eher anrufen sollen. Es geht um diesen Ross Abbott. Seine Frau –«
»Ich weiß, wer Ross Abbott ist.« Kincaids Magen krampfte sich zusammen. »Woher weißt du – na, egal. Was ist passiert?«
»Ich glaube, dass er ein sehr gutes Motiv für den Mord an Rebecca Meredith hatte. Und jetzt hat er eine Pistole. Ich weiß nicht, was er damit vor…«
»Aber ich weiß es«, sagte Kincaid.
Mit dem Donnergrollen setzte ein Regenschauer ein, und der Wind frischte auf, als Kieran den Schlüssel unter dem Blumentopf an der Ecke des Cottage hervorzog.
Es war inzwischen so dunkel, dass Kieran nicht sehen konnte, wie das Unwetter heraufzog, doch das war auch nicht nötig, denn er konnte es spüren. In seinem Schädel war ein Druck, als müsse er jeden Moment platzen. Neben ihm begann Finn zu winseln – er kannte die Anzeichen ebenso gut wie Kieran.
Kieran duckte sich, als der nächste Donnerschlag ertönte, schon näher als der erste, doch dann richtete er sich mit zitternden Knien auf und sagte: »Ich steh das schon durch, Junge.« Er würde sich von dem verdammten Wetter nicht davon abhalten lassen, das zu tun, wofür er hergekommen war.
Es war dunkel unter dem Vordach, und während er mit dem Schlüssel am Türschloss herumstocherte, wünschte er, dass er seine Taschenlampe aus dem Land Rover mitgenommen hätte. Es war ein komisches Gefühl gewesen, direkt vor dem Cottage am Straßenrand zu parken. Sonst hatte er den Wagen immer weiter oben an der Kirche abgestellt, damit – wie Becca es ausdrückte – die Nachbarn nichts zu tratschen hatten. Jetzt fragte er sich, ob sie nicht nur sich, sondern auch Freddie hatte schützen wollen.
Das Schloss sprang mit einem Klicken auf. Zusammen mit Finn, der sich dicht an seiner Seite hielt, trat er ein und knipste das Licht an.
Als die Lampen das vertraute Wohnzimmer in ihren warmen Schein tauchten, krampfte Kierans
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