Die stillen Wasser des Todes - Roman
auf dem Teppich, Duncan. Es steckt noch ein bisschen mehr dahinter. Rebecca Meredith hat, wie Sie sicherlich noch feststellen werden, sich selbst und anderen das Leben ziemlich schwer gemacht. Und sie hatte durchaus ihre eigenen Interessen im Blick. Sie wollte rudern, und sie wollte dafür bei vollem Gehalt vom Dienst freigestellt werden.«
»Das glaube ich nicht«, entgegnete Kincaid und starrte Childs verblüfft an. »Wollen Sie mir sagen, dass Rebecca Meredith die Met erpresst hat?«
»Ich sage nur, dass ihr ein Angebot unterbreitet wurde und dass sie es in Betracht gezogen hat.«
»Ein Angebot.« War Rebecca Meredith das Rudern wirklich so enorm wichtig gewesen? Oder hatte sie nur eine gewisse Wiedergutmachung gewollt für das, was Craig ihr angetan hatte? »Und wenn sie das Angebot abgelehnt hätte?«
»Dann hätten wir alle uns mit den Konsequenzen auseinandersetzen müssen.« Childs seufzte schwer.
Kincaid wandte sich ab und trat ans Fenster. Ohne seinen Chef anzusehen, sagte er: »Warum genau waren Sie so entschlossen, mir den Fall zu übertragen?«
»Weil Sie mein bester Mann sind. Weil ich glaubte, Sie könnten den Dingen auf den Grund gehen. Und weil ich glaubte, auf Ihre Diskretion zählen zu können.«
Es war inzwischen völlig dunkel, und es hatte zu regnen begonnen. Die Lichter von Victoria und dahinter die von Westminster schimmerten trüb durch die Nacht. Kincaid starrte aus dem Fenster und bemühte sich, trotz des Zorns, der in ihm aufstieg, sachlich zu bleiben.
»Angus Craig hatte sowohl ein Motiv für den Mord an Rebecca Meredith als auch, aufgrund der räumlichen Nähe, die Gelegenheit dazu. Hatten Sie erwartet, dass ich das ignorieren würde?«
»Ich hatte erwartet, dass Sie Ihren Job professionell und gründlich erledigen würden. Und das tue ich immer noch. Und ich erwarte, dass Sie keine unbewiesenen Anschuldigungen gegen einen anderen Polizeibeamten erheben.
Und nun«, fügte Childs hinzu, während er seine immer noch beträchtliche Leibesfülle aus dem Sessel hievte, »habe ich leider familiäre Verpflichtungen. Dianes Schwester ist für vierzehn Tage zu Besuch. Verdammt lästig.« Er ging zur Tür, drehte sich aber noch einmal um, als er dort ankam. »Ach, und Duncan – ich erwarte, dass Sie mich auf dem Laufenden halten.«
Kincaid war entlassen.
»› O Maus, weißt du, wie man aus diesem Teich herauskommt? Denn ich bin es leid, hier herumzuschwimmen –‹«, las Kincaid ein paar Stunden später vor und gab sich dabei große Mühe, wie Alice zu klingen.
»Nein.« Charlotte schob ihre Hand unter seine und blätterte zurück. »Lies noch mal die andere Stelle vor!«
»Du meinst die Stelle mit dem kleinen Mädchen, das von den Zehen bis zur Nase zugedeckt war?« Er saß am Kopfende ihres kleinen weißen Betts, das Buch auf dem Schoß, und sie war zur Seite gerutscht, um ihm Platz zu machen.
Nach seinem Gespräch mit Denis Childs im Yard war er sofort nach Hause gefahren und hatte dort das übliche abendliche Chaos angetroffen.
»Was machst du denn hier?«, hatte Gemma gefragt, als es ihm endlich gelungen war, ihr einen Kuss zu geben, nachdem er zuerst von den Hunden und den kleineren Kindern stürmisch begrüßt worden war. »Ich dachte, du wärst noch mal für mindestens eine Nacht in Henley.«
»Hast du schon wieder ein Rendezvous mit dem Milchmann?«, frotzelte er.
Aber Gemma hatte seine Miene gesehen. Sie runzelte die Stirn und fragte: »Was ist passiert? Ist –«
Er schüttelte den Kopf, als Toby dazwischenplapperte: »Wer ist denn der Milchmann? Wir haben doch gar keinen Milchmann.«
»Vergiss es«, sagte Kincaid. »Und unterbrich deine Mutter nicht.«
Toby ließ sich nicht beirren. »Kit macht Chinapfanne. Ich darf das Gemüse schnippeln. Willst du mithelfen?«
»Dir helfen, deine Finger abzuschneiden? Na klar doch.« Und so hatte er sich vom Strom des Familienlebens mitreißen lassen, während er seine Gedanken zu sortieren versuchte.
An diesem Abend war er an der Reihe, Charlotte vorzulesen, während Gemma Toby badete. Charlotte selbst hatte das Buch ausgesucht – es war Kits alte Alice -Ausgabe, die sie im Bücherregal im Wohnzimmer entdeckt hatte. Kincaid hatte ein wenig skeptisch geschaut, als er es gesehen hatte. »Ist sie nicht noch ein bisschen zu klein für Alice?«, hatte er Gemma gefragt.
Gemma hatte nur mit den Achseln gezuckt. »Sie findet das jedenfalls nicht. Im Moment will sie gar nichts anderes hören. Und mir gefällt’s ganz
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