Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die stillen Wasser des Todes - Roman

Die stillen Wasser des Todes - Roman

Titel: Die stillen Wasser des Todes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
Vom Netzwerk:
nicht schaden würde.« Sie streifte ihn mit einem Blick und sah dann weg. »Deswegen nahm er wohl an, dass ich allein lebte.
    Aber an diesem Abend war meine Mutter gekommen, um auf Toby aufzupassen, und natürlich hatte Toby einen fürchterlichen Schreianfall bekommen, als sie versuchte, ihn ins Bett zu bringen. Und als Craig dann in die Wohnung kam und meine Mutter sah, wie sie mit einem rotgesichtigen, tränenüberströmten kleinen Jungen an der Schulter im Wohnzimmer auf und ab ging, machte er auf dem Absatz kehrt, murmelte noch rasch ›gute Nacht‹ und stürmte hinaus.
    Ich fand sein Verhalten schon merkwürdig, dachte mir aber, es sei ihm vielleicht peinlich, dass er gefragt hatte, ob er die Toilette benutzen dürfe, oder dass er Angst gehabt hatte, in eine dreckige Windel zu treten, wenn er nicht gleich kehrtmachte.« Sie zuckte mit den Achseln. »Und dann habe ich die ganze Sache vergessen. Ich bin ihm danach nie mehr begegnet. Aber –«
    »Aber was?«, fragte Kincaid, und ihn fröstelte. Er wusste, dass ihr das gleiche Szenario durch den Kopf ging wie ihm.
    »Was, wenn meine Mutter an dem Abend nicht in der Wohnung gewesen wäre? Was – wenn Angus Craig mit mir das Gleiche vorhatte, was er Rebecca Meredith angetan hat?«
    Als Kieran endlich beim Bootsschuppen anlangte, war es schon längst dunkel. Er war völlig durchnässt und zitterte am ganzen Leib, und er fühlte sich benommen, als ob sein Gehirn keine Verbindung mit seinem Körper hätte. In seinen Ohren hatte jenes Pfeifen eingesetzt, das oft eine Verschlimmerung seiner Gleichgewichtsprobleme ankündigte.
    Er schaltete das Licht ein, rubbelte Finns nasses Fell mit einem Handtuch ab und gab ihm dann sein Trockenfutter. Aber bei dem Gedanken, sich selbst etwas zu essen zu machen, wurde seine unterschwellige Übelkeit sofort wieder stärker.
    Wann hatte er zuletzt etwas gegessen? War es der Energieriegel gewesen, gestern vor der Suche? Kein Wunder, dass er sich ein bisschen wacklig auf den Beinen fühlte.
    Er sank auf das Feldbett, während Bilder vor seinem inneren Auge vorüberzogen wie flimmernde alte Wochenschaufilme. Er wusste, dass er wenigstens trockene Sachen anziehen sollte, aber selbst diese simple Tätigkeit schien ihn zu überfordern.
    Und er wusste, dass er jemandem erzählen sollte, was er gesehen hatte – aber wem?
    Er glaubte nicht, dass Tavie überhaupt mit ihm reden, geschweige denn ihn bis zum Ende anhören würde. Der Polizist von Scotland Yard? Er hatte wie ein Mann gewirkt, der zuhören konnte, aber Kieran wusste nicht, wie er ihn kontaktieren sollte. Und er konnte sich nicht vorstellen, einem Beamten der hiesigen Polizei alles auseinanderzusetzen, selbst wenn er es schaffen sollte, sich aufs Revier zu schleppen.
    Sein Kopf drehte sich, und er hielt sich an der Bettkante fest, darauf gefasst, dass der Schwindel jeden Moment mit voller Wucht einsetzte. Als das nicht geschah, atmete er erleichtert auf. Finn hatte sein Futter bis auf den letzten Krümel verputzt und kam herüber, um sich zu Kierans Füßen auf den Boden zu legen. Mit dem Kopf auf den Vorderpfoten beobachtete er aufmerksam das Gesicht seines Herrn.
    Kieran wartete und zählte lautlos. Die Sekunden verstrichen. Allmählich glaubte er, dass er diesmal verschont bleiben könnte – oder dass er wenigstens in der Lage sein würde, sich zu waschen und umzuziehen, ein Sandwich zu essen und einen Schluck Kaffee zu trinken. Und dann könnte er sich vielleicht überlegen, was er wegen dieses Mannes am Ufer unternehmen würde.
    Vorsichtig erhob er sich vom Bett, als er plötzlich draußen vor dem Schuppen ein leises Plätschern durch das zum Lüften geöffnete Fenster vernahm. Finn stellte gespannt die Ohren auf. Er legte den Kopf schief und ließ ein tiefes, kehliges Knurren vernehmen, während sein Fell sich sträubte.
    Und dann flog alles in die Luft.

11
    Eines der Boote, das Harry ausgeliehen hatte, war ein ausnehmend schöner Doppelzweier mit Holzrumpf, der Gail Cromwell gehörte, der Witwe des berühmten Skullers Sy Cromwell, der 1977 an Krebs gestorben war. Gails Boot war das schönste von allen auf dem Anhänger … Der Cromwell-Doppelzweier hatte – zumindest nach Gails Auffassung – immer noch Chancen, eine olympische Goldmedaille zu gewinnen.
    Brad Alan Lewis, Assault on Lake Casitas
    »Lamm.« Ian schwenkte die Papiertüte unter Tavies Nase. »Schafbaby. Määh. Da lacht das Vegetarierherz.« Die Tüte war voll mit Dönerkebab vom Imbiss gegenüber dem

Weitere Kostenlose Bücher