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Die stillen Wasser des Todes - Roman

Die stillen Wasser des Todes - Roman

Titel: Die stillen Wasser des Todes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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einem Baum hing ein Schild mit der Aufschrift Angeln nur mit Angelschein. Das Gras auf der Lichtung sah weich und sumpfig aus und war selbst jetzt, Ende Oktober, noch saftig grün. Am Rand war eine matschige Stelle zu sehen, und dort glaubte Kieran einen deutlichen Fußabdruck zu erkennen.
    Aus Furcht, Spuren zu vernichten, wagte er es nicht, näher heranzugehen, doch er hatte den Eindruck, dass die Ufervegetation zertrampelt aussah. Als er durch eine Lücke zwischen den Bäumen nach Norden blickte, konnte er gerade eben den weißen Schimmer des Pavillons an der Spitze von Temple Island ausmachen. War dies also der Ort, wo Becca gestorben war?
    Das Blut schoss ihm in den Kopf. Er kauerte sich nieder, den Arm um Finns Schultern gelegt, und kämpfte gegen den Schwindel an, zwang sich zum Atmen. Und dann spürte er plötzlich dieses Kribbeln im Nacken.
    Er kannte das Gefühl. Er hatte es im Irak gehabt, wenn seine Einheit von feindlichen Truppen beobachtet wurde. Auch jetzt beobachtete ihn jemand. Finn stellte die Ohren auf, doch er knurrte nicht, und Kieran konnte nicht sagen, ob der Hund etwas registriert hatte oder nur die Signale seines Herrn deutete.
    Dann winselte Finn und stieß ihn an, sodass Kieran das Gleichgewicht verlor. »Okay, okay«, flüsterte er, als er sich wieder gefangen hatte. Vorsichtig stand er auf und blickte sich um, suchte den Pfad in beiden Richtungen ab und dann den dichten Wald hinter ihnen.
    Nichts.
    Er spürte einen Tropfen auf seiner Wange, dann noch einen. Der Regen, der sich schon den ganzen Tag angekündigt hatte, zog heran, und das Licht schwand rapide. Wenn er sich jetzt nicht auf den Rückweg machte, würde er bei miserablen Sichtverhältnissen über Stege und Wiesen stolpern müssen, und er hatte keine Taschenlampe mitgenommen.
    Noch einmal sah er sich auf der Lichtung um. Er war sich jetzt sicher, dass er sich den Mann, den er dort gesehen hatte, nicht eingebildet hatte. Aber er war nur ein kaputter, verrückter Irakveteran, der gestern seinen ohnehin nur schwachen Anspruch auf Glaubwürdigkeit restlos verwirkt hatte. Wer würde ihm seine Geschichte abnehmen?
    Als sie im Yard angekommen waren, hatte Kincaid erfahren, dass sein Vorgesetzter beim Mittagessen war und anschließend an einer Planungskonferenz in Lambeth teilnehmen würde.
    Kincaid war kurz versucht gewesen, nach Shepherd’s Bush zurückzufahren und noch einmal mit Gaskill zu sprechen, doch er wollte das Vertrauen von Rebecca Meredith’ Mitarbeiterin nicht missbrauchen. Und so zog er sich, nachdem er und Cullen sich in der Kantine noch rasch ein Sandwich einverleibt hatten, in sein Büro zurück und stellte seine eigenen Recherchen zu Angus Craig an. Was er herausfand, gefiel ihm gar nicht.
    Alle Beamten im gehobenen Dienst der Met wechselten mehr oder weniger regelmäßig zwischen den Abteilungen und übernahmen dabei unterschiedliche Aufgabenbereiche. Aber Craig schien ungewöhnlich häufig versetzt worden zu sein, und ab einem gewissen Punkt war er zwar immer noch weiter befördert worden, jedoch, wie es aussah, auf Posten mit immer weniger Verantwortung.
    Stirnrunzelnd lehnte Kincaid sich vom Computer zurück und rief Superintendent Mark Lamb an. Lamb war Gemmas Vorgesetzter in Notting Hill, aber er war auch ein alter Freund, und Kincaid konnte sich darauf verlassen, dass Lamb ihm ehrlich seine Meinung sagen würde.
    »Craig?«, meinte Lamb, nachdem Kincaid ohne Umschweife zur Sache gekommen war. »Nun ja, unter uns gesagt, der Mann ist nicht ganz sauber. Ich habe in verschiedenen Komitees mit ihm zusammengearbeitet. Das ist einer, dem man besser nicht in die Quere kommt. Er macht gerne seinen Einfluss geltend und nicht immer zum Besten seiner Kollegen.«
    »Gab es Probleme speziell mit weiblichen Untergebenen?«
    »Es gab Gerüchte«, antwortete Lamb widerstrebend. »Ich will ja nicht aus dem Nähkästchen plaudern, und mir ist auch nie etwas Konkretes zu Ohren gekommen. Aber ich habe den Eindruck gewonnen, dass die Kolleginnen ihm nach Möglichkeit immer aus dem Weg gegangen sind.«
    »Ich nehme an, du sprichst nicht von den üblichen altmodischen Vorurteilen gegen Frauen im Dienst?«
    »Ich glaube, es war mehr als das. Warte mal.« Lamb wechselte halblaut ein paar Worte mit jemandem im Hintergrund. »Hör zu, ich muss jetzt los. Aber richte Gemma aus, dass wir uns schon darauf freuen, sie nächste Woche wieder bei uns zu haben.«
    »Mach ich«, sagte Kincaid und legte auf.
    Es klopfte an seiner Bürotür, und

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