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Die stillen Wasser des Todes - Roman

Die stillen Wasser des Todes - Roman

Titel: Die stillen Wasser des Todes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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Polizeirevier, und der Duft von gebratenem Lammfleisch breitete sich im Pausenraum der Feuerwache aus.
    »Wenn du nicht aufpasst, stehen sie gleich alle auf der Matte.« Sie deutete mit dem Kopf zur Fahrzeughalle, wo der Brandmeister gerade mit der Mannschaft eine Übung abhielt. Ian, der heute Abend zusammen mit ihr im Notarzt-Einsatzwagen eingeteilt war – dem Rapid Response Vehicle oder RRV , wie es offiziell hieß –, neckte sie gerne wegen ihrer vegetarischen Lebensweise.
    Als die Mannschaft gegessen hatte, waren sie gerade zu einer älteren Dame gerufen worden, die gestürzt war. Deshalb hatte Ian sich erboten, für sie beide etwas vom Imbiss zu holen.
    Das gab ihm wieder eine Gelegenheit, sie aufzuziehen, denn er wusste ganz genau, dass Tavie beim Duft von gebratenem Fleisch noch immer das Wasser im Mund zusammenlief, obwohl sie sich schon seit ihrer Teenagerzeit vegetarisch ernährte.
    Sie vermutete, dass diese Reaktion vielleicht genetisch bedingt war, schon vor Urzeiten in die DNS ihrer nordischen Ahnen eingeschrieben, für die als Jäger und Sammler der Geruch von Fleisch, das über dem Feuer briet, den Unterschied zwischen Überleben und Verhungern bedeutet hatte.
    »Hast du mir Hummus mitgebracht? Und Falafel?«, fragte sie.
    »Selbstverständlich, stets zu Diensten.« Ian holte eine zweite Tüte hinter dem Rücken hervor und stellte sie auf den Tisch. Dann zog er sich einen der harten Plastikstühle heraus, setzte sich und öffnete seine Tüte.
    »Ian, du bist wirklich eine rühmliche Ausnahme unter deinen Geschlechtsgenossen.« Tavie spähte in ihre Tüte und schnupperte. Eine warme Pita-Tasche umhüllte knusprige Falafel-Kugeln, eine großzügige Portion Hummus und einen Klacks leuchtend grüne Koriander-Chili-Sauce, garniert mit Salatblättern, Gurkenscheiben und Tomatenstücken. Das Ganze war nahezu unmöglich zu essen, ohne sich zu bekleckern, aber es duftete himmlisch. Es hatte durchaus auch seine Vorzüge, ein Veggie zu sein.
    Sie machte Anstalten, die Tüte auf den Tisch zu legen, rümpfte aber angewidert die Nase, als sie die braunen Flecken und unidentifizierbaren Krümel sah, mit denen die Tischplatte übersät war. »Was haben die denn hier gegessen? Und wer hat saubergemacht?«
    »Chili con Carne, glaub ich«, antwortete Ian, den Mund voll Kebab. »Und der Neue hatte Küchendienst.«
    Tavie riss ein Blatt von der Küchenrolle ab, die neben der Spüle stand, und wischte eine Stelle auf dem Tisch sauber, gerade groß genug, um ihre Tüte ablegen zu können. »Also, dieser Bonzo oder Bozo oder wie er heißt, der kriegt es aber mit mir zu tun, sobald der Chef mit ihm fertig ist. Das ist ja ekelhaft.«
    »Er heißt Brad, Tav.« Ian fischte noch ein paar Fleischstückchen aus den Tiefen seiner Tüte. »Und er scheint ein ganz netter Bursche zu sein.«
    »Na klar. Er erinnert mich an meinen Ex. Sehr nett.« Sie warf einen finsteren Blick in Richtung Fahrzeughalle.
    Ian grinste. »Du bist heute in Lästerlaune.«
    »Und du bist ein totaler Softie«, erwiderte sie, doch sie lächelte, als sie sich an den Tisch setzte. Sie arbeitete gerne mit Ian zusammen. Er war ein guter Sanitäter, er lernte fleißig, um sich beruflich weiterzubilden, und er hatte kein Problem damit, dass sie die höhere Qualifikation besaß.
    In ihrem Job hatten sie mit allem Möglichen zu tun, von kranken und verwirrten Senioren über schwere Verkehrsunfälle, Herzinfarkte und Schlaganfälle bis hin zu dem einen oder anderen durchgeknallten Verschwörungstheoretiker.
    Ian war sowohl entschlussfreudig als auch geduldig und damit auf beide Extreme des Jobs gut vorbereitet. Er hatte eine Frau und zwei entzückende Kinder, und Tavie fand, dass er mit seiner vernünftigen, kompetenten Art eine gute Ergänzung des SAR -Teams sein könnte.
    Andererseits durfte sie nicht vergessen, dass sie auch geglaubt hatte, Kieran wäre eine gute Ergänzung für das Team, und das hatte ja wohl nicht so optimal funktioniert.
    Ihre gute Laune verflog, ebenso wie ihr Appetit. Immer wieder sah sie Kierans Gesicht vor sich, als sie ihm gestern Abend heftige Vorwürfe gemacht hatte. Die Verzweiflung hatte ihm im Gesicht gestanden, als er sich von ihr abgewandt hatte, und sie hätte alles getan, um ihre Worte zurücknehmen zu können.
    Sie hatte eine schlaflose Nacht verbracht, hatte hin und her überlegt, ob sie ihn anrufen sollte, um sich zu vergewissern, dass er okay war, und war schließlich am Morgen vollkommen übernächtigt zum Dienst gegangen.

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