Die stillen Wasser des Todes - Roman
geradewegs durch die Lücke zwischen den Pollern hindurch auf den gepflasterten Fußweg, der zwischen dem Fluss und den Mill Meadows verlief. Falls hier nach Einbruch der Dunkelheit noch irgendwelche Spaziergänger unterwegs waren, würden sie verdammt noch mal aufpassen müssen.
Zur Rechten flogen im Scheinwerferlicht Parkbänke und Abfalleimer vorüber, während sich zur Linken parallel zum Weg das dunkle Band des Flusses dahinzog. Ein Rascheln und Kratzen war zu hören, als Weidenzweige das Dach des Volvo streiften. Jenseits der Wasserfläche funkelten vereinzelte Lichter in den Fenstern der Häuser und Cottages auf der Insel.
Und dann, nachdem sie eine weitere Weide passiert hatten, sah sie es.
Chaos. Absolutes Chaos. Direkt vor ihnen loderte ein Flammenmeer, und Funken flogen in den Himmel auf. Es sah aus, als ob der Fluss selbst brannte.
Aber es war nicht der Fluss, es war Kierans Bootsschuppen. Tief im Innersten hatte sie es schon geahnt, und jetzt war sie sich sicher. Sie erkannte die Flussbiegung wieder, die Cottages, die sich links an seinen Schuppen anschlossen.
Dunkle Schatten bewegten sich vor dem grellorangefarbenen Hintergrund. Als sie nach ihrer Einschätzung die Stelle am Ufer erreicht hatten, die dem Schuppen direkt gegenüberlag, lenkte sie den Wagen aufs Gras und sprang hinaus, ihre Tasche in der Hand. In der Stille, die auf das Sirenengeheul des Volvo folgte, konnte sie jenseits des Flusses Rufe vernehmen, doch das Sirenengeräusch des Löschzugs war noch weit weg.
Ian ging um den Wagen herum und blieb neben ihr stehen. »Ach du Scheiße. Wie sollen wir da rüberkommen?« Ein paar Meter weiter flussabwärts war ein Hausboot festgemacht, doch es war dunkel, und offenbar war niemand an Bord. »Und die Kollegen werden ihre liebe Mühe haben, vom Museum hierherzugelangen«, fügte Ian hinzu. Vom Löschfahrzeug war noch nichts zu sehen.
Eine der dunklen Gestalten hatte sie entdeckt und begann aufgeregt zu winken. »He!«, rief der Mann. »Können Sie uns helfen? Wo bleibt denn die Feuerwehr?«
»Ist im Anmarsch. Wir sind die Sanitäter«, rief Tavie zurück. »Kommen Sie mit dem Boot rüber. Gegen das Feuer können Sie sowieso nichts ausrichten, solange der Löschzug nicht hier ist.« Sie konnte ein kleines Ruderboot sehen, es war noch am Anleger festgemacht.
Sie sah, wie der Mann einen Moment zögerte, dann band er das Boot los, sprang hinein und ruderte rasch zu ihnen herüber, wobei er das Boot sehr routiniert handhabte.
»Ich weiß nicht, was passiert ist«, sagte er, als er bei ihnen anlangte und das Boot ans Ufer manövrierte. »Ich wohne nebenan. Meine Frau und ich haben gerade ferngesehen. Plötzlich gab es einen gewaltigen Knall, und dann brach hier die Hölle los.«
Boote waren nicht Tavies Stärke. Vorsichtig stieg sie hinein, gefolgt von Ian, der sich etwas sicherer bewegte, und dann stieß der Mann das Boot ab.
»Haben Sie – ist Kieran – gibt es Verletzte?«, fragte Tavie. Man hatte ihr schon den Spitznamen die Eisprinzessin gegeben, weil sie normalerweise am Einsatzort die Ruhe selbst war, aber jetzt schlug ihr Herz so heftig, dass es ihren Brustkorb zu sprengen schien. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass Kieran sich genau so gefühlt haben musste, als sie nach Rebecca Meredith suchten – und seine schlimmsten Befürchtungen hatten sich bewahrheitet. Vor Angst krampfte sich ihr Magen zusammen.
»Du kennst den, der da wohnt?« Im flackernden Licht sah sie die Bestürzung in Ians Zügen. »Sag bloß, das ist der Typ –«
Sie antwortete nicht, sondern wandte sich an den Ruderer. »Bitte – wie heißen Sie?«
»John.«
»John, ist jemand verletzt?«
»Ich weiß es nicht. Wir konnten nicht nahe genug heran.« Ein lautes Krachen war zu hören, und noch mehr Funken schossen in die Höhe. »Mist«, stieß John hervor und zog die Ruder mit vermehrter Kraft durchs Wasser, sodass der Bug des kleinen Boots sich hob. »Meine Frau – wir müssen die Leute von der Insel wegbringen. Wo bleibt denn die verdammte Feuerwehr?«
Als Tavie sich umschaute, sah sie blaue Lichter, die sich langsam dem Ufer näherten. »Sie kommen. Sie müssen durch den Park fahren.«
»Wenn sie nicht bald hier sind, ist nichts mehr übrig.«
Tavie konnte die Hitze spüren, als sie sich dem Anleger näherten. Sobald das Boot anstieß, kletterte sie hinaus und hätte fast das Gleichgewicht verloren. Jetzt konnte sie eine Frau sehen, die vor der Tür des benachbarten Cottage stand.
»John!«, rief
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