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Die stillen Wasser des Todes - Roman

Die stillen Wasser des Todes - Roman

Titel: Die stillen Wasser des Todes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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die Frau. »Kommt die Feuerwehr? Es kann jeden Moment alles in die Luft –«
    »Aus dem Weg, Janet!« John machte das Boot an einem Poller fest und stieg an Land, gefolgt von Ian und beide rannten Tavie hinterher. Er winkte die Frau zu der offenen Fläche rechts von ihrem Cottage.
    Tavie blickte sich um. Das Löschfahrzeug hielt jetzt parallel zum Flussufer. Bald würden sie zu pumpen beginnen.
    »Gehen Sie, alle beide«, rief sie dem Paar zu. Dann verschwendete sie keinen Gedanken mehr an sie und lief auf die Flammen zu.
    »Tav, bist du wahnsinnig?«
    Sie hörte Ians Worte, doch sie schienen nichts mit ihr zu tun zu haben.
    Jetzt war sie so nahe, dass die Hitze ihr das Gesicht versengte. Es waren nur wenige Meter vom Anleger bis zum Schuppen. Da entdeckte sie eine dunkle Silhouette, und das schrille Winseln eines Hundes drang durch das Prasseln des Feuers.
    »Finn! Finn!«
    Der Hund bellte, kam aber nicht auf sie zu. Als sie noch ein paar Schritte weiterging und ihr Gesicht mit dem Arm abschirmte, sah sie, warum. Er wollte seinen Herrn nicht allein lassen.
    Kieran lag auf dem Bauch, die Beine gespreizt, die Arme unter dem Körper, als ob er gefallen wäre, ohne zu versuchen, den Sturz abzufangen.
    Tavie spulte jetzt automatisch ab, was sie in der Ausbildung gelernt hatte. Sie zog die Taschenlampe aus dem Gürtel und lief die letzten paar Schritte. Hinter ihr murmelte Ian: »Du bist verrückt, du bist vollkommen verrückt«, doch er folgte ihr auf dem Fuß.
    Sie kniete sich hin und ließ den Strahl der Taschenlampe über Kierans hingestreckten Körper streichen. Finn winselte und versuchte ihr Gesicht zu lecken. »Es ist okay, Junge, es ist alles okay«, sagte sie. »Schön ruhig. Sitz! Braver Junge.« Der Hund setzte sich, doch er zitterte vor Stress. Im Lampenschein blitzte das Weiße in seinen Augen auf.
    Tavie legte eine Hand auf Kierans Schulter und war erleichtert, als er mit einer schwachen Bewegung reagierte. Er stöhnte.
    »Kieran, ich bin’s. Kannst du dich umdrehen? Kannst du dich bewegen?«
    Er stöhnte wieder und wälzte sich zu ihr herum. »Ich musste – Ich musste Finn –«
    »Nicht reden.« Sie leuchtete sein Gesicht an, und für einen entsetzlichen Moment glaubte sie, eine Hälfte sei schwarz verkohlt. Dann spürte sie die Feuchtigkeit, sah das Schimmern des Bluts auf der Hand, die sie auf seine Schulter gelegt hatte.
    »Mein Kopf.« Er griff sich an den Schädel. »Da ist etwas heruntergekommen –«
    »Wir müssen dich hier wegbringen. Kannst du aufstehen?« Sie schob einen Arm unter seine Schulter, während Ian ihn auf der anderen Seite fasste.
    Sie hoben ihn auf die Füße, doch plötzlich wand er sich von ihnen los. »Das Boot –«
    »Deinem Boot ist nichts passiert –«
    »Nein, das Boot . Das Skiff, das ich baue –« Er wankte auf einen langen, schmalen Gegenstand zu, der mit einer Plane verhüllt war. »Es darf nicht verbrennen. Ihr Boot –«
    Über das Wasser hallten Rufe und das Tuckern einer Dieselpumpe. Tavie erkannte die Stimme des Brandmeisters. »Räumen Sie das Gelände, räumen Sie das Gelände!«, rief er. Die Wucht des Wasserstrahls aus dem großen Rohr könnte sie ernsthaft verletzen – ganz zu schweigen davon, was passieren würde, wenn der Schuppen in die Luft flog, ehe sie das Feuer unter Kontrolle hatten. Schaudernd dachte sie an die Lösungsmittel, die Kieran bei seinen Bootsreparaturen verwendete.
    »Komm, Kieran.« Sie und Ian packten ihn wieder und hoben ihn halb hoch, um ihn fortzuschleifen. So setzten sie schwankend einen Fuß vor den anderen wie eine menschliche Raupe. Finn lief ein paar Schritte voraus, blickte sich um und jaulte. »Wir müssen Finn hier wegbringen, okay? Du schaffst das schon.«
    Kieran drehte sich zu ihr um. Sein Gesicht war halb mit Blut verschmiert, doch zum ersten Mal sah sie an seinen Augen, dass er sie erkannt hatte. Erleichterung erfasste sie.
    »Tavie?«, sagte er. »Tavie, jemand hat einen Molotowcocktail durch mein Fenster geworfen.« Er klang mehr verblüfft als erzürnt. »Irgend so ein Schwein hat versucht, mich in die Luft zu jagen.«
    Gemma saß am Küchentisch vor ihrem vergessenen Tee, und der Kopf schwirrte ihr vor Entsetzen über das, was sie soeben erfahren hatte. Hatte sie sich die Kälte in Angus Craigs Augen nur eingebildet, als er an jenem Abend Toby und ihre Mutter erblickt hatte? Sie glaubte es nicht. Wie knapp war sie dem Unvorstellbaren entgangen?
    Kincaid saß ihr gegenüber, seine Miene starr vor Zorn.

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