Die stillen Wasser des Todes - Roman
nach Henley, ohne zuvor Cullen abzuholen.
Als Kincaid ihn von unterwegs anrief, erklärte Doug sich sofort bereit, den Zug zu nehmen. Kincaid bat ihn jedoch, bis zum Morgen zu warten. »Lassen Sie mich mit diesem Kieran reden – vielleicht erfahre ich ja von ihm etwas Neues. Ich habe Singla gesagt, dass ich ihn als Erster vernehmen will.«
»Gestern hatte ich den Eindruck, dass er ein bisschen neben der Kappe ist, dieser Kieran.« Der Empfang war schlecht, und Dougs Stimme wurde immer wieder durch Knacken und Rauschen unterbrochen. »Man hätte meinen können, dieses Boot wäre der Heilige Gral, so ein Theater hat er darum gemacht. Vielleicht hat er ja Becca Meredith umgebracht und dann versucht, sich selbst in die Luft zu jagen.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass er seinen Hund bei lebendigem Leib hätte verbrennen lassen«, wandte Kincaid ein. Er hatte schon Selbstmörder erlebt, die zuvor ihre Hunde erschossen hatten, aber nicht so etwas. Doch wenn die Beziehung zwischen Mann und Hund so eng war, wie es den Anschein hatte, dann wäre es denkbar, dass Kieran den Hund betäubt und das Ganze als eine Art rituelle Verbrennung inszeniert hatte.
Allerdings hielt er es für viel wahrscheinlicher, dass tatsächlich jemand einen Molotowcocktail durch Kieran Connollys Fenster geworfen hatte. »Und wir wissen auch nicht, warum Connolly Rebecca Meredith hätte ermorden sollen«, fuhr er fort.
»Er ist Ruderer«, sagte Doug. »Er hätte gewusst, wie er ihr Boot zum Kentern bringen konnte.«
»Das schon.« Kincaid fuhr den Remenham Hill hinunter und sah vor sich schon die Lichter von Henley. »Aber was hilft es uns, wenn wir ihm die Gelegenheit nachweisen können, aber das Motiv fehlt? Ich bin jetzt gleich da. Ich rufe Sie an, sobald ich mehr weiß.« Er legte auf, und kurz darauf hatte er bereits das Stadtzentrum hinter sich gelassen. Er überprüfte noch einmal die Adresse, die Singla ihm gegeben hatte, und parkte den Wagen in der West Street, nicht weit von der Feuerwache.
Warmes Licht schien in den Bleiglasfenstern des kleinen Reihenhauses. Als er an der Tür klingelte, wurden die gedämpften Stimmen drinnen im Haus sofort von mehrstimmigem Gebell übertönt.
»Tosh, Finn, ruhig!«, befahl eine Frauenstimme. Kincaid erkannte sie wieder – es war die Leiterin des Suchteams, die er gestern kennengelernt hatte. Das Bellen verstummte, und die Tür ging auf.
»Superintendent Kincaid, nicht wahr?« Tavie Larssen sah ihn überrascht an. »Ich hatte mit DI Singla gerechnet.« Als Kincaid sie gestern gesehen hatte, war sie mit der dunklen SAR -Uniform bekleidet gewesen. Heute trug sie ihr Sanitäter-Outfit, das ebenfalls schwarz war. Die strenge, dunkle Kleidung stand ihr, dachte er; sie verlieh ihrer zierlichen Gestalt und ihren feinen Zügen eine gewisse Autorität.
»Er hat mich geschickt. Darf ich reinkommen?«
»Oh – natürlich.« Sie trat zurück und packte dabei einen schwarzen Labrador Retriever am Halsband. Connollys Hund – wie hieß er noch gleich? »Sie müssen entschuldigen, Finn ist nicht als Wohnungshund erzogen«, sagte Tavie und beantwortete damit seine unausgesprochene Frage.
Sie öffnete eine Dose, die auf einem Tischchen nahe der Tür stand, sah dem Labrador in die Augen und sagte: »Sitz!« Der Hund ließ sich sofort aufs Hinterteil plumpsen, und gleich darauf kam die Schäferhündin herbei und setzte sich neben ihn. Dann schnappten die beiden sich die Hundekuchen, die Tavie aus der Dose gefischt hatte, mit einem solchen Eifer, dass Kincaid um die Finger der Frau fürchtete. »Brave Hunde«, sagte sie. »Und jetzt macht schön Platz.«
Was sie auch taten.
Nachdem er nicht mehr von den Hunden abgelenkt war, konnte Kincaid sich auf Kieran Connolly konzentrieren, der in der anderen Ecke saß. Seine Stirn war verbunden, sein Gesicht mit Ruß und Blut verschmiert, das braune T -Shirt und die ebenfalls braune Cargohose wiesen dunklere Flecken auf. Er machte Anstalten aufzustehen, doch Kincaid winkte ab. »Bleiben Sie ruhig sitzen.«
»Bitte.« Tavie bedeutete Kincaid, auf dem Sofa Platz zu nehmen. »Ich mache uns erst mal Tee, ja?«, fragte sie ein wenig unsicher.
»Das wäre fantastisch.«
»Gut.« Sie lächelte ihn an und streifte dann Connolly mit einem leicht missbilligenden Blick, ehe sie nach nebenan in die Küche ging.
Durch die offene Tür konnte Kincaid einen cremefarbenen Emailherd sehen und auf zwei tiefen, hoch angebrachten Regalbrettern einen antiken Spiegel sowie einige
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