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Die stillen Wasser des Todes - Roman

Die stillen Wasser des Todes - Roman

Titel: Die stillen Wasser des Todes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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kleiner wirken. Und er schwankte leicht wie ein großer Baum, der kurz davor ist, umzustürzen.
    »Setz dich«, forderte sie ihn auf, als redete sie mit einem der Hunde, und deutete auf den größten Sessel.
    Er folgte ihr, wenn auch mit etwas unsicheren Bewegungen, und jetzt, da sie auf ihn hinunterschauen konnte, war ihr schon ein wenig wohler. Ihr wurde bewusst, dass sie bisher die meiste Zeit mit Kieran im Freien verbracht hatte, wo es nicht so auffiel, dass er gut einen Kopf größer war als sie.
    Und dann, während sie sich in ihrem Wohnzimmer umsah, dessen Enge sie plötzlich als bedrückend empfand, kam ihr der Gedanke, dass die einzigen Männer, die je ihr Haus betreten hatten, ihre Kollegen von der Feuerwehr und vom Rettungsdienst waren, die ihr beim Umzug geholfen hatten.
    Das Häuschen war ihre Rebellion gegen das Leben gewesen, das sie mit ihrem Exmann Beatty geführt hatte. Sie hatte bei ihren Eltern gewohnt, bis sie Beatty geheiratet hatte und in seine Eigentumswohnung in Leeds gezogen war. Ein Jahr darauf hatten sie beide Arbeit in Oxfordshire bekommen, und die Doppelhaushälfte in dem Neubaugebiet am Stadtrand von Reading hatte sie offenbar ohne ihr bewusstes Zutun ganz vereinnahmt.
    Acht lange Jahre später war ihre Ehe rettungslos zerrüttet, und das Spießerleben hatte für sie beide seinen Reiz verloren. Beatty hatte herausgefunden, dass er in Wirklichkeit eine Frau wollte, die sich unterordnete und einen starken Mann brauchte, und er hatte auch mühelos eine rothaarige Krankenschwester gefunden, die ins Schema passte.
    Und Tavie hatte herausgefunden, was sie wirklich wollte, nämlich verdammt noch mal ihre eigenen Entscheidungen treffen zu können, und dazu hatte gehört, dass sie sich beim Kauf ihres Hauses von niemandem hatte reinreden lassen.
    So war sie also zu dem Puppenhäuschen gekommen – und sie hatte es von Anfang an geliebt. Sie liebte ihr Single-Dasein, ihre Hündin, ihren Beruf und ihre Arbeit beim Such- und Rettungsdienst. Trotzdem gab es bisweilen Zeiten, wo das Haus ihr ein bisschen leer vorkam – aber dass es urplötzlich von einem hünenhaften Mann mit blutigem Schädel und übler Laune mitsamt seinem ebenso hünenhaften Hund in Beschlag genommen würde, war nicht ganz die Lösung, die ihr vorgeschwebt hatte.
    Die Hunde hatten endlich ihr ausgiebiges Begrüßungsritual mit viel Schnuppern und Schwanzwedeln beendet und setzten sich ebenfalls.
    »Okay«, sagte sie, während sie sich ein wenig hektisch im Zimmer umsah, »jetzt legst du erst mal die Füße hoch.« Ihr Blick fiel auf die kleine Truhe, in der sie die Bettdecken aufbewahrte. Sie zog sie heran und legte ein Kissen obendrauf. »So, bitte sehr.«
    »Ich bin doch kein Krüppel. Ich hab bloß eine leichte Kopfverletzung.« Kieran starrte sie finster an, doch der Effekt wurde ein wenig konterkariert durch den dicken Mullverband, der seine Augenbraue an einer Seite hochzog und ihm unfreiwillig einen fragenden Gesichtsausdruck verpasste.
    Er hatte immer schon etwas Verwegenes an sich gehabt, mit seiner blassen Haut, den tiefblauen Augen und den schwarzen, wirren Haaren. Vielleicht würde ihm eine Narbe ganz gut stehen. Diese hier würde wenigstens sichtbar sein.
    Kritisch blickte sie auf ihr kleines Sofa. »Ich schlafe hier«, sagte sie. »Du kannst das Bett haben. Es ist ein Doppelbett, also denke ich, dass deine Füße nicht unten rausgucken werden.« Das Bett gehörte zu den wenigen Dingen, die sie nach der Scheidung behalten hatte.
    Kieran lehnte sich in seinem Sessel zurück und schloss die Augen. Sein Gesicht wirkte eingefallen, wenn seine Züge entspannt waren, und als er sprach, war seine Stimme matt vor Erschöpfung. »Tavie, ich schlafe nicht in deinem Bett. Ich bin dir wirklich dankbar für alles, was du für mich tust. Ehrlich.« Mit der Fingerspitze betastete er ganz vorsichtig den Verband an seiner Stirn und zuckte zusammen. »Aber das ist zu viel. Ich werde auf dem Boden schlafen. Und sobald sie mich lassen, gehe ich zurück in den Schuppen. Ich kann mir ein neues Feldbett kaufen, wenn es sein muss.«
    Tavie dachte an die Flammen und an die Schäden, die das Löschwasser vermutlich verursacht hatte, und schüttelte den Kopf. »Kieran, es ist vielleicht gar nichts mehr –«
    »Ich muss selbst nachsehen.« Er setzte sich auf, mit neuem Nachdruck in der Stimme. »Es ist alles, was ich habe. Was immer noch übrig ist.«
    Tavie sank auf die Sofakante nieder. Sofort kam Tosh gelaufen, legte den Kopf auf Tavies

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