Die stillen Wasser des Todes - Roman
Verwünschungen der anderen Männer, die auch zu erschöpft zum Schreien waren. Und dann: »Zieht, verdammt noch mal! Zieht endlich, ihr faulen Säcke!«, schrie der Steuermann, der Einzige unter ihnen, der noch genug Kraft hatte, sich Gehör zu verschaffen. »Steuerbord, Steuerbord, passt mit den Riemen auf! Sonst kommen wir noch –«
Zu spät. Ihre Blätter stießen gegen die des anderen Boots, die Ruder verhedderten sich. Ein Krachen, ein stechender Schmerz in seiner Brust – der Griff seines Riemens, der ihn mit voller Wucht traf –, und dann wurde ihm das Ruder aus der Hand gerissen.
»Nein!«, schrie er. »Nein!« Das würden sie nie mehr aufholen. Er musste –
Doch das eisige Wasser schwappte über seinen Mund, sein Gesicht. Das Boot ging unter, und er bekam keine Luft –
Freddie erwachte schweißgebadet. Keuchend und nach Luft ringend, schlug er wie wild um sich, im Laken verheddert wie gefesselt.
»Scheiße. O verdammte Scheiße.« Er setzte sich auf und schob die Bettdecke zurück. Der verfluchte Boat-Race-Alptraum. Den hatte er seit Jahren nicht mehr gehabt. Sein Unterbewusstsein hatte das katastrophale Schlechtwetter-Rennen vermischt mit – mit dem, was Becca zugestoßen sein musste. Du lieber Gott.
Aber die Erkenntnis, dass er nur geträumt hatte, brachte ihm kaum Erleichterung. Denn im Wachzustand fühlte er sich genauso hilflos und ausgeliefert.
Bis Ross es gestern in der Bar angesprochen hatte, war ihm nicht klar gewesen, dass die Polizei ihn tatsächlich verdächtigen könnte, Becca getötet zu haben. »Die gehen immer zuerst davon aus, dass es der Ehepartner war«, hatte Ross gesagt. »Oder in deinem Fall der Exmann.«
Im Schockzustand der ersten Stunden nach Beccas Tod hatte Freddie einfach angenommen, ihre Fragen seien reine Routine. Jetzt begriff er, was für ein Idiot er gewesen war, dass er kein Alibi hatte für die Zeit, als Becca ertrunken sein musste, und keine Möglichkeit, die Polizei von seiner Unschuld zu überzeugen. Er war genauso verloren, wie er es in seinem Traum gewesen war.
Er ließ sich auf das feuchte, zerwühlte Kopfkissen zurücksinken. Spielt es denn überhaupt eine Rolle?, fragte er sich. Denn nichts von dem, was ihm geblieben war, schien jetzt noch die geringste Bedeutung zu haben.
Kincaid ließ sich das üppige englische Frühstück im Red Lion schmecken – mit nur einem leisen Anflug von schlechtem Gewissen, weil er Doug Cullen diesen Genuss am gestrigen Morgen verwehrt hatte. Als er fertig war, hatte er noch eine halbe Stunde, bis er Doug am Bahnhof abholen musste, und da es ein frischer, sonniger Herbstmorgen war, verließ er das Hotel und ging über die Straße zur Henley Bridge.
Dort lehnte er sich ans Brückengeländer und blickte flussabwärts, wo die Mannschaft des Leander-Clubs gerade zum Training aufbrach. Vierer und Achter stießen sich vom Anleger ab, und nachdem die Ruderer noch letzte Hand an ihre Ausrüstung gelegt und die Einstellung überprüft hatten, senkten sie synchron ihre Ruder ins Wasser. Kleine Tröpfchen flogen von den Blättern, als sie wieder auftauchten, und glitzerten wie Diamanten im klaren Morgenlicht.
Die Boote glitten flussabwärts davon, während die Trainer ihnen auf dem Uferpfad mit dem Fahrrad folgten. Kincaid erkannte Milo Jachym, der dem Frauenachter Anweisungen zurief.
Er sah ihnen nach, bis Boote und Trainer aus seinem Blickfeld verschwunden waren. Dann wandte er sich ab und ging in Gedanken versunken die Thames Side hinauf in Richtung Bahnhof. Als er die Station Road erreichte, sah er auf seine Uhr und stellte fest, dass er immer noch zu früh dran war, also ging er weiter den Fußweg entlang, bis er vor dem River and Rowing Museum stand. Beim Frühstück hatte er in einem Prospekt von dem Museum gelesen, und dabei war ihm eine Idee gekommen.
Drinnen widerstand er den Verlockungen des Museumsshops, randvoll mit potenziellen Geschenken für Gemma und die Kinder, und ließ auch die Ausstellung zu dem Kinderbuchklassiker Der Wind in den Weiden schweren Herzens links liegen.
Stattdessen stieg er die Treppe hinauf und betrat die lange Galerie, wo der Vierer ohne Steuermann von Sydney 2000 als Dauerexponat von der Decke herabhing. In diesem Boot hatten Steve Redgrave, Matthew Pinsent, Tim Foster und James Cracknell bei den Olympischen Spielen von Sydney für Großbritannien Gold gewonnen. Laut der Infotafel war es ein britisches Boot der Marke Aylings, eine Sonderanfertigung für speziell diese Mannschaft
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