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Die Stimme der Erde

Titel: Die Stimme der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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sich denken können. Sie war kein bißchen eingeschüchtert. Von Nachgiebigkeit keine Spur. Immer noch aufsässig. Er hätte bei seinem ursprünglichen Plan bleiben und sie 24 Stunden lang eingesperrt halten sollen. Er lehnte sich zurück und sagte weiterhin nachsichtig: »Es gibt auf St. Erth keine Frau, die deine Maße hat, Lady. Also iß nicht zu viel! Wir haben keine anderen Kleider für dich.«
    »Gott segne Eure überwältigende Freundlichkeit, Sir«, erwiderte Philippa. Sie lächelte ihn an, und Grübchen zeichneten sich in ihren Wangen ab. Dann roch sie den Duft der Speisen. Ihr Magen knurrte laut. Sie vergaß Dienwald de Fortenberry, vergaß ihre unsichere Lage, sie schaute nur auf ihren Teller. In der fetten Soße schwamm ein dickes Stück Brot mit großen Scheiben Rindfleisch.
    Dienwald sah ihr zu, wie sie die Mahlzeit in Angriff nahm. Ein keckes Mädchen mit einer flinken Zunge. Kein Wunder, daß sie annahm, ihr Vater würde kein Lösegeld für sie zahlen. Wer wollte denn ein Mädchen mit so nadelscharfem Witz im Haushalt haben? Er mußte lächeln und wußte selbst nicht, warum. Als sie den Teller mit dem letzten Stückchen Brot säuberte, fragte er: »Willst du auch mein ganzes Hammelfleisch und die Tauben verzehren? Und meine gesottenen Kapaune mit Ingwer und Zimt und alle Eier in Gelee?«
    »Ich sehe gar keine Eier in Gelee«, sagte sie deutlich enttäuscht.
    »Vielleicht hast du sie schon runtergeschlungen, ohne es zu merken. Du hast wacker zugeschlagen.«
    Sie drehte sich zu ihm um. »Und Hammelfleisch habt Ihr doch gar nicht, oder? Ich denke, Ihr habt Eure sämtlichen Schafe verloren.«
    Dienwald verschlug es einen Augenblick lang die Sprache. Wieder erschienen die Grübchen in ihren Wangen. Sie machte sich auf seine Kosten lustig! Aber einer Frau durfte man nie das letzte Wort lassen. Es war gegen die Gesetze der Menschen und Gottes. Es war so wenig zu dulden wie ein Tritt in den Unterleib.
    Er nahm sich zusammen. »Was hast du unter diesem Kleid an?«
    Männer greifen zu jeder Waffe, die ihnen zur Verfügung steht, dachte Philippa. Ihr Vater war ja geradezu ein Meister der volltönenden Rede. Mit geröteter Nase und hervortretenden Augen pflegte er loszudonnern und hörte so bald nicht auf. Ihr Vetter Sir Walter de Grasse wurde, wenn sie sich recht erinnerte, kalt und ironisch, wenn er schlechter Laune war. Der Waffenmeister ihres Vaters dagegen schlug ohne Überlegung blindlings mit seinen großen Fäusten zu. Der Mann neben ihr hatte wenigstens noch den Dolch in der Scheide. Offenbar wollte er also nicht gewalttätig werden. Es war für sie eine Erleichterung, daß er sich mit ihr nur im Wortgefecht messen wollte, obwohl seine Frage sie in große Verlegenheit stürzte. Unglücklicherweise trank sie gerade einen Schluck von dem starken Bier und verschluckte sich prompt bei seinen Worten. Er klopfte ihr so kraftvoll auf den Rücken, daß sie fast mit dem Gesicht in der Holzschüssel mit gekochtem Kapaun gelandet wäre.
    Dienwald fuhr ihr mit gespreizten Fingern über den Rücken. »Ich kann nichts fühlen. Kein Hemd? Wo bleibt dein Schamgefühl?«
    Jetzt fühlte sich Philippa plötzlich zur Gewalttätigkeit aufgelegt -schließlich war sie ihres Vaters Tochter. Sie handelte sofort. Schnell wie eine Schlange griff sie nach seinem Dolch. Doch im nächsten Augenblick umspannte er mit der Hand ihr Gelenk so fest, daß er ihr das Blut abschnürte und ihre Finger weiß wurden.
    »Du wagst es?«
    Oh weh, sie hatte wieder mit den Beinen gedacht statt mit dem Kopf, und das brachte ihr Ärger ein. Sie schüttelte den Kopf.
    »Du wagst es also nicht?«
    Aber noch klang seine Stimme nicht zornig. Er schien eher amüsiert. Er lockerte den Griff um das Gelenk und drückte ihre Handfläche auf seinen Oberschenkel. Ihr Blick flog zu ihm, aber sonst rührte sie sich nicht.
    »Mir ist da eine Idee gekommen, Lady«, sagte Dienwald. »Ich biete dir zwei Möglichkeiten. Du hast die Wahl.«
    Philippa fürchtete, daß beide Möglichkeiten unangenehm sein würden.
    »Was? Du sagst gar nichts? Kaum zu glauben.« Er sah sie mit hochgezogener Braue an. Sie schwieg weiter.
    »Du hast mir gesagt, daß dein Vater kein Lösegeld für dich zahlen würde. Du nennst mir aber auch den Namen des dir unbequemen Freiers nicht. Ferner weigerst du dich, den Namen des Vetters zu nennen, den du besuchen wolltest. Nun, da du mir keine Pfunde, Shillings und Pence einbringen kannst, ist es nicht mehr als recht und billig, wenn du mir meine

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