Die Stimme der Erde
Gastfreundschaft dadurch belohnst, daß du dich vor mir auf den Rücken legst und die Beine breitmachst. Ich zweifle zwar daran, daß ich viel Freunde an dir haben werde, aber möglich ist es doch, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit.«
Es war genau so gekommen, wie sie es befürchtet hatte.
»Der Gedanke, daß ich dich begatte, sagt dir wohl nicht zu?«
Ein Mann, der es gestattete, daß ihn Hunde, Kinder und Hühner überallhin begleiteten, konnte doch nicht so schlecht sein! Sie wußte noch immer nicht, was sie dazu sagen sollte.
»Na, wie wäre es denn, wenn du deine langen weißen Beine um meine Hüften schlingst? Wenn du dir von mir die Jungfernschaft rauben läßt? Meinst du nicht, daß dir das Vergnügen machen würde?«
Sie blickte in den großen Saal, wo sich an den Tischen Männer und Frauen geräuschvoll den Bauch vollschlugen, lachten, Witze rissen und stritten, und sagte: »Eigentlich nicht.«
»Nein?«
Philippa griff mit der linken Hand nach einem Kapaunflügel und biß nachdenklich ein Stück Fleisch ab. Sie durfte ihn nicht merken lassen, daß er ihr jedes Selbstvertrauen genommen, sie vollständig verwirrt und aus der Fassung gebracht hatte. Sie sollte die Beine um seine Hüften schlingen? Sich von ihm ihre ... Philippa biß noch ein Stück ab. Dienwald war von ihrer scheinbar lässigen Haltung, ihrem ungerührten Gleichmut so überrascht, daß er ihre Hand losließ. Sie schüttelte sie, um den Blutkreislauf anzuregen. Dann griff sie nach einem anderen Stück des Kapauns, tauchte es in die Ingwer-Zimt-Soße und steckte es in den Mund.
Dienwald sah sie von der Seite an. Aus ihrem Zopf, der so dick wie sein Fußgelenk war, hatten sich noch weitere dichte Lockenbüschel gelöst und ringelten sich jetzt um ihren Kopf.
Schließlich stippte sie die Finger in die kleine Holzschale auf dem Tisch und wandte sich ihm wieder zu. »Schmeckt sehr gut, der Kapaun. Vor allem mit dem Ingwer. Nein, mein Vater würde wirklich kein Lösegeld herausrücken. Ich hätte Euch ja auch anlügen und sagen können, er würde zahlen. Aber nein, ich bin einfach mit der Wahrheit herausgeplatzt, ohne vorher zu überlegen.«
»Gut. Und dein Standpunkt, Lady?«
»Ich möchte nicht Eure Geliebte werden. Ich möchte die Geliebte keines Mannes sein.«
»Diese Entscheidung liegt nicht bei dir, denn du bist eine Frau.«
»Das ist ein Problem, das ich mit der Hälfte der Menschheit teile. Wie werdet Ihr denn entscheiden?«
»Mußt du denn dauernd sticheln und nörgeln? Mußt du mich so lange mit Fragen quälen, bis ich mich genötigt sehe, dir den Dolch an den weißen Hals zu setzen?«
»Nein, aber ...«
»Sei still! Ich werde den Namen deines Verlobten erfahren, und das sehr bald. Wenn er dich auslösen will, werde ich sogar weniger Geld verlangen.«
»Nein!«
Dienwald packte sie an dem langen Zopf, legte ihn sich um die Hand und zog ihr Gesicht an seins heran. »Hör zu, Dirne ...«
»Ich bin keine Dirne. Mein Name lautet Philippa de ...«
»Du wirst alles tun, was ich verlange, und wenn du die Königin von Frankreich wärst. Also wie heißt dieser arme Schwachkopf?«
Philippa schluckte. Ihre Augen verdunkelten sich, die goldenen Flecken darin traten stärker hervor. »Das sage ich Euch nicht.«
»Ich glaube doch. Dir fehlt es an Nachgiebigkeit und Gehorsam. Wie schon gesagt, ich werde es dich lehren. Wir fangen sofort mit dem Unterricht an.« Mit tückischer Miene fuhr er fort: »Zieh dein Kleid aus! Du wirst jetzt für meine Leute tanzen.«
Sie sah ihn starr an. »Das würde Euer Priester bestimmt nicht gutheißen.«
Dienwald begegnete ihrem Blick. »Das stimmt«, sagte er. »Pater Cramdle würde sich ins Gebet zu seinem Schöpfer flüchten.«
»Na schön. Wenn ich nur die Wahl habe, Eure Geliebte zu werden oder Euch den Namen des abscheulichen Mannes zu nennen, mit dem mein Vater mich verheiraten will, und wenn Ihr mich diesem schrecklichen alten Kerl gegen ein Lösegeld ausliefern wollt, so daß ich den Rest meines Lebens unter ihm leiden muß, ist meine Antwort klar. Dann werde ich Eure Geliebte, bis Ihr mich nicht mehr haben wollt.«
Sie hatte so schnell gesprochen, daß er eine Zeitlang brauchte, um den Sinn zu erfassen. Danach war er fassungslos. Doch sie durfte es nicht merken. War der zukünftige Ehemann denn so abstoßend? Oder fehlte es ihr einfach an weiblichem Feingefühl? Nein, das konnte es nicht sein. Erst hatte sie nein gesagt und dann wieder ja. Sie trieb ihren Schabernack mit ihm!
»Ich
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